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Sommer in Maine: Roman (German Edition)

Sommer in Maine: Roman (German Edition)

Titel: Sommer in Maine: Roman (German Edition)
Autoren: J. Courtney Sullivan
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Marie und Pats Tochter Patty war im Juli zwei Wochen mit ihrer Brut in Maine geblieben. Während sie Patty und Josh dabei zusah, wie sie wirbelten, um ihre drei kleinen Teufel zu versorgen, dachte Alice daran, was Maggie jetzt erwartete: Schlaflose Nächte, nicht enden wollende Erkältungen und Machtkämpfe mit einem bockigen Kleinkind, die einen in den Wahnsinn trieben.
    Pattys Älteste und Alices Großenkelin war vier Jahre alt und hieß Maisy. Wie kam man auf so einen Namen? So konnte man vielleicht einen kurzbeinigen Hund nennen, aber doch kein kleines Mädchen. Jedenfalls konnte Maisy diesen Sommer gar nicht genug von ihrer Urgroßmutter bekommen. Wenn Alice morgens mit ihrem Tee auf der Veranda saß, konnte sie darauf wetten, dass sie irgendwann das näselnde Stimmchen von der Tür sagen hörte: »Ich setz mich mal zu dir, Uroma.« Und wenn sie die Blumen goss, kam Maisy im Badeanzug mit einer Plastikschippe ausgerüstet angestapft, um ihr zu helfen.
    »Sie ist ganz vernarrt in dich«, hatte Patty gesagt und gelacht, und Alice konnte sich natürlich nicht wehren, weil es ja wieder lieblos gewesen wäre, ihre Enkelin zu verjagen. Das konnte sie sich im Augenblick nicht leisten. Schließlich steckte sie schon mit Ann Marie in Schwierigkeiten. Aber, bei Gott, dieses Kind nervte. Wann würde Patty endlich begreifen, dass sie verdammt nochmal keine Lust hatte, den Babysitter zu spielen? Nachdem die Familie abgereist war, entdeckte Alice unter einem Stuhl auf der Veranda die Überbleibsel eines Haferflockenkekses, über den sich ein Heer Ameisen hermachte.
    Alice war seit zehn Tagen vollkommen allein. Vierzehn, wenn man Ann Maries letzten, zweistündigen Besuch nicht zählte. Alice hatte sie zum Mittagessen einladen wollen, aber Ann Marie hatte angeblich viel zu tun und fuhr deshalb sofort wieder nach Hause. Mit anderen Worten: Sie war immer noch sauer.
    Die Stille im Haus machte Alice überhaupt nichts aus. Die Ereignisse des Sommers hatten sie erschöpft, und als Clare anrief, um ihr mitzuteilen, dass Ryan in den ersten drei Augustwochen mit den Proben für ein Theaterstück beschäftigt sei, sie also frühestens am einundzwanzigsten nach Maine kommen würde, war Alice ein bisschen erleichtert. Ihre Welt war wieder auf ihre ursprüngliche Größe zusammengeschrumpft, bevor die Kelleher-Frauen mit allem, was dazugehörte – Drama, Sorgen, Zank – in Maine eingefallen waren.
    Jetzt sah sie das Papa-Kaninchen hüpfend hinter dem Rhododendron verschwinden, zurück zu seiner Familie.
    »Bis später!«, rief sie, und freute sich, diese Scharte ausgewetzt zu haben.
    Dann sah sie die halbvolle Flasche Cabernet auf dem Beistelltisch.
    Ha . Sie hatte das tatsächlich gedacht: Halbvoll . Dann war sie jetzt also Optimistin, oder? Alice lächelte. Daniel hätte Luftsprünge gemacht.
    »Na, was sagst du jetzt?«, sagte sie. »Du hast doch immer gesagt, dass ich nur das Schlechte sehe, aber jetzt habe ich dir das Gegenteil bewiesen.«
    Sie schenkte sich Wein nach.
    Direkt nach seinem Tod hatte sie oft mit Daniel geredet und ihm erzählt, was die Kinder so trieben und wie sie ihre Tage verbrachte. Irgendwann hatte sie damit aufgehört, aber in letzter Zeit machte sie es wieder gelegentlich. Sie hatte ihm sogar gesagt, dass es ihr auf die Nerven ging, dass Maisy ständig um sie herumwuselte, und hinzugefügt: »Aber ich sag dir das nur, weil du wegen meiner Lieblosigkeit nicht mehr mit mir schimpfen kannst.«
    Jetzt sagte sie: »Ich habe seit drei Tagen nichts von Patrick und Ann Marie gehört. Die haben vielleicht Nerven. Da kriegen sie einmal nicht, was sie wollen, und schon müssen sie mich dafür bestrafen. Behandelt man so seine eigene Mutter?«
    Alice weigerte sich, sich wegen der Häuser ein schlechtes Gewissen machen zu lassen. Sie hatte wirklich nicht erwartet, dass sich alle so aufregen würden. Patrick und Ann Marie hatte es anscheinend besonders schwer getroffen, aber selbst Clare hatte weinend angerufen, als sie es erfahren hatte. Alice sagte allen das Gleiche: Dass es nicht mehr zu ändern sei, weil St. Michael fest mit der Spende rechnete.
    Ann Marie hatte gefragt, wie sie das hatte tun können, wie sie die beiden Häuser einfach hatte weggeben können. Als wäre die Kirche irgendjemand. Aber die Kirche war als einzige immer an Alices Seite gewesen. Sie war das einzige, auf das sie sich immer hatte verlassen können.
    Alice nippte am Wein. In der Ferne erleuchtete ein Blitz den Himmel über dem Meer. Alice fand,
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