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Sommer in Maine: Roman (German Edition)

Sommer in Maine: Roman (German Edition)

Titel: Sommer in Maine: Roman (German Edition)
Autoren: J. Courtney Sullivan
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Tochter.
    Maggie nickte: »Mir bleibt auch nichts anderes übrig.«
    Zum Mittag gab es Tomatensuppe und Salzgebäck mit Erdnussbutter. Das war das einzige, das sich in Maggies Küchenschränken finden ließ und einer Mahlzeit halbwegs ähnelte. Maggie ging ihre Post durch und packte den Kinderwagen aus. Dann schalteten sie den Fernseher ein und guckten sich alte Serien an, aber Kathleen war nicht bei der Sache. Sie dachte über die Zukunft nach.
    Um drei Uhr hatte Maggie eine Konferenzschaltung wegen der Arbeit, also machte Kathleen einen Spaziergang in der Nachbarschaft. Brooklyn Heights war wunderschön: Eine Straße nach der anderen mit gepflegten Backsteinhäusern und Gebäuden im Federal Style. An der Promenade verschlug ihr der Blick auf die Brooklyn Bridge und die Manhattan Skyline wie immer den Atem. Sie war sogar ein bisschen neidisch, dass sie das nicht auch als junge Frau entdeckt hatte, und sie begriff jetzt, warum Maggie hier nicht weg wollte.
    Um sechs hatten sie schon wieder Hunger und ließen sich was vom Thailänder kommen. Maggie ging runter, um die Lieferung zu bezahlen, und Kathleen sah sich die Wohnung ihrer Tochter einmal genauer an. Als Kathleen zum ersten Mal hier gewesen war, hatte sie die Wohnung ganz reizend gefunden. »Eine richtige kleine Schatztruhe«, hatte sie gesagt. Aber damals sollte es ja auch nicht mehr als ein kleines Refugium für Maggie sein, ihre eigenen vier Wände, in denen sie ihre ersten zwei bis drei großen Romane schreiben sollte, bevor sie mit dem passenden, elegant ergrauten Ehemann ein herrschaftliches Anwesen mit Stallungen bezog.
    Jetzt sah Kathleen die Wohnung mit anderen Augen: Da war die winzige Küche, deren Fenster so undicht war, dass es sich nicht lohnte, es zu schließen. Ein langes, orangefarbenes Stromkabel führte vom Kühlschrank über eine Reihe von Nägeln zur Decke, auf die andere Seite und zur Steckdose. Vor einer halben Stunde hatte Kathleen bei dem Versuch, die verzogene Badezimmertür zu schließen, den Knauf in der Hand behalten. Die Staubmassen, die ununterbrochen von der Straße hereinkamen, waren unkontrollierbar, selbst für einen pingeligen Sauberkeitsfanatiker wie ihre Tochter. Und dann war da noch das Problem der fünf Stockwerke, die bis zur Wohnung zu erklimmen waren. Fünf!
    Maggie hatte die Krippe und den Wickeltisch ins Wohnzimmer stellen wollen, aber dieser grässliche gelbe Kinderwagen von Ann Marie versperrte schon das halbe Zimmer. Das hatte sich also auch erledigt.
    Als Maggie mit einer großen Papiertüte im Arm die Treppe hinaufkam, sagte Kathleen: »Ich glaube, wir müssen dir eine neue Wohnung suchen. Du brauchst mehr Platz.«
    »Ich kann die hier schon kaum bezahlen«, sagte Maggie.
    »Komm, setzt dich mal zu mir«, sagte Kathleen. »Ich hab dir was zu sagen.«
    Ihre Tochter sah nervös aus, stellte die Tüte mit dem Essen aber auf den Wohnzimmertisch und setzte sich auf das Sofa.
    »Willst du mich jetzt doch entführen?«
    »Nein, du musst nicht mit nach Kalifornien kommen«, sagte Kathleen.
    »Du willst doch nicht etwa herziehen?«
    »Auch nicht. Aber gut zu wissen, dass du mich gerne in der Nähe hättest.«
    »Entschuldige«, sagte Maggie.
    »Wenn es dir recht ist, würde ich gerne wiederkommen, wenn das Baby da ist, und dir helfen, bis du alleine klarkommst.«
    »Das wär super«, sagte Maggie.
    »Dein Glück ist mir das Allerwichtigste«, sagte Kathleen. »Leider bin ich manchmal furchtbar egoistisch.«
    Maggie lachte, und Kathleen fuhr fort: »Naja, das ist ja kein Geheimnis. Aber ich schweife ab. Was ich sagen wollte, und ich hätte das schon viel früher sagen sollen –«
    »Was denn?«
    »Es gibt da dieses Sparkonto für den Hof.«
    »Deine Ersparnisse kann ich nicht annehmen«, sagte Maggie.
    »Doch, das kannst du«, gab Kathleen zurück. »Es sind zwanzigtausend Dollar. Und es ist mir eine große Freude, sie dir zur Verfügung zu stellen.«
    Noch während sie das sagte, empfand sie es als Verlust. Bei ihrem Vater hatte Selbstlosigkeit so einfach ausgesehen, aber Kathleen würde nie ein so guter Mensch wie er sein. Sie konnte ihre Ersparnisse nicht hergeben, ohne daran zu denken, wie lange sie emsig Monat für Monat etwas für die Kompostanlage beiseitegelegt hatte. Der Hof lief gut, aber jetzt würde es wahrscheinlich Jahre dauern, bis sie den nächsten Wachstumsschritt machen konnten.
    Arlo tat ihr leid. Er hatte keine Ahnung, wie viel Geld sie ihnen abgeknapst hatte, aber jetzt würde sie es ihm sagen
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