Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sommer der Nacht

Titel: Sommer der Nacht
Autoren: Dan Simmons
Vom Netzwerk:
wischte Staub von ihren Schuhen. Mike zog die Schaufel zurück und sah die vier anderen Jungs an. »Sie ist es wirklich«, flüsterte er. Er stellte die Schaufel weg und rieb sich die Oberlippe. »Aber es besteht kein Grund zur Eile, oder?«
    Kevin stützte sich auf den kurzen Spaten und strich mit einer Hand durch seinen Bürstenschnitt. Die Narbe an der Stirn dicht unter dem Haaransatz war klein und weiß und fast nicht mehr zu sehen. »Ich sehe keinen Grund zur Eile«, sagte er. »Sie ist seit über dreißig Jahren da. Sie kann auch noch warten.«
    Dale nickte. »Onkel Henry würde sicher nicht wollen, daß die ganzen Leute und Reporter und Touristen hier herumschwärmen. Nicht jetzt. Wo sein Rücken noch heilen muß und so.«
    Harlen verschränkte die Arme. »Ich weiß nicht«, sagte er und sah von einem Gesicht zum anderen. »Es könnte etwas Wertvolles da unten sein.«
    Lawrence zuckte die Achseln und grinste. Er hatte wie von Sinnen im Boden gewühlt und hart gearbeitet, damit der Eingangstunnel breiter wurde. »Kapierst du das nicht, Jim? Sie wird immer hier sein. Sie geht nicht weg. Wenn das Material da unten heute wertvoll ist, überleg doch mal, welchen Wert es erst haben wird, wenn wir in ein paar Jahren zurückkommen und es ausgraben.« Er schaufelte wieder Dreck in die Öffnung. »Bleibt unser Geheimnis«, sagte er, grinste sie an und rückte die Brille auf der Stupsnase zurecht. »Nur unseres.«
    Sie arbeiteten mit soviel Enthusiasmus und Begeisterung daran, den Tunnel wieder zuzudecken, wie sie auf seine Freilegung verwendet hatten. Sie füllten das Loch auf, befestigten die Erde, schafften Steine wieder an ihre ursprünglichen Plätze, indem sie sie wieder den Berg heraufschleppten, setzten Büsche und Grasbüschel wieder an Ort und Stelle und holten sogar einen Baumstumpf wieder, den sie unter Mühen ausgegraben hatten. Sie blieben einen Augenblick stehen und bewunderten ihre Arbeit - die Stelle sah aufgewühlt aus, aber in einer Woche oder zwei würde sie wieder zugewachsen sein - und im Herbst würde niemand mehr sehen, daß sie je hier gegraben hatten.
    Dann gingen sie zum Mittagessen ins Haus.
    Mike blieb an dem Viehpfad auf der Hügelkuppe stehen und sah zu Cordie, die immer noch auf dem Hang gegenüber saß und Blätter von einem Busch zupfte. »Kommst du?« sagte er.
    »Jungs«, sagte sie und schüttelte den Kopf. »Als Gott keinen Grips für die Schlauen mehr gehabt hat, hat er eben Dumme gemacht.«
    Sie warteten in den langen Schatten des Hangs, während sie den Bach auf einem Baumstamm überquerte und heraufkletterte, um zu ihnen zu stoßen.
    Die öffentliche Untersuchung der seltsamen Geschehnisse in der Woche vom 10. bis zum 16. Juli hatte Wochen gedauert und dauerte immer noch an, wenn auch nicht mehr öffentlich, anderswo und nicht mehr so vordringlich.
    Als bedeutendstes Ereignis hatte sich das Verschwinden von Mr. Dennis Ashley-Montague nebst Diener erwiesen. Als die Limousine in der Nacht des Feuers lange nach Mitternacht verlassen am Bandstand Park gefunden worden war, wo der Projektor immer noch ein Rechteck weißen Lichts auf die Wand des Parkside Cafe warf, hatten sich das Büro des Sheriffs, die Polizei von Oak Hill und schließlich das FBI in die Suche eingeschaltet. Wochenlang hatten FBI-Agenten in engen schwarzen Anzügen, schmalen schwarzen Krawatten und polierten Florsheims die Straßen von Elm Haven überwacht, hingen im Cafe herum und tranken sogar Pepsi im Carl's und dem Black Tree ->mischten sich unters Volk< und hörten sich den lokalen Klatsch an.
    Und es gab genügend lokalen Klatsch.
    Eine Million Theorien wurden aufgestellt, um den Diebstahl von Ken Grumbachers Laster zu erklären, der wahrscheinlich von Dr. Roon gestohlen worden war, dem ehemaligen Rektor, sowie das Feuer, den Diebstahl mehrerer Leichen aus Mr. Taylors Bestattungsinstitut und das Verschwinden von Elm Havens millionenschwerem Patron. Gerüchte wollten wissen, daß die Experten der Spurensicherung nicht nur die Gebeine von Dr. Roon und den verschwundenen Leichen in der Brandruine von Old Central gefunden hatten, sondern so viele Knochen, daß man hätte denken können, die Schule wäre voller Schüler gewesen, als sie abbrannte. Einige Tage später erzählte man sich im Schönheitssalon und beim Friseur, Untersuchungen hätten ergeben, daß viele der Knochen alt waren, ziemlich alt sogar, danach rankten sich weitere Gerüchte um das sonderbare Verhalten des Friedhofswärters von Calvary und des
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher