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Sommer der Nacht

Titel: Sommer der Nacht
Autoren: Dan Simmons
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abgehauen war, und einige andere Damen der Lutheran Care Society statteten dem Haus mit Lebensmitteln und anderen nützlichen Dingen Besuche ab.
    Pater Dinmen kam nur mittwochs und samstags von Oak Hill, um die Messe zu lesen, und Mike diente weiter als Meßknabe, überlegte sich aber, ob er damit aufhören sollte, wenn im Oktober der neue Priester der Diözese zugeteilt wurde.
    Die Tage vergingen. Der Mais wuchs. Die Alpträume der Jungs ließen nicht völlig nach, waren aber bald nicht mehr so schlimm.
    Die Nächte wurden mit jedem Tag etwas länger, schienen aber viel kürzer zu sein.
    Mr. und Mrs. Stewart waren zum Steakessen zu Onkel Henry gekommen und hatten die O'Rourkes und die Grumbachers mitgebracht. Harlens Mutter kam später mit einem Herrn, mit dem sie sich >jetzt regelmäßig< traf. Der Mann, der Cooper hieß, war groß und still und sah tatsächlich ein wenig wie der Schauspieler aus, nur waren seine Schneidezähne ein wenig schief. Vielleicht lag es daran, daß er selten lächelte. Als er am Wochenende zu Besuch kam, brachte er Harlen einen Mickey Mantle-Handschuh als Geschenk und lächelte sein schüchternes Lächeln, als sie sich die Hände schüttelten.
    Die Kinder aßen auf der Veranda über Onkel Henrys Garage, verschlangen ihre Steaks und tranken frische Milch oder Limonade. Nach dem Essen gingen die Kinder zur Schaukel am Südende der Veranda und betrachteten die Sterne.
    Als die Unterhaltung über Leben auf anderen Sternen und ob die Kinder auf anderen Planeten auch Lehrer hätten oder nicht, einmal ins Stocken kam, sagte Dale: »Ich bin gestern bei Mr. McBride gewesen.«
    Mike legte die Hände hinter den Kopf und schaukelte mit der Hängematte über das Geländer hinaus. »Ich habe gedacht, er zieht nach Chicago oder so was.«
    »Macht er«, sagte Dale. »Zu seiner Schwester. Er ist schon fort. Ich hab' ihn am Dienstag erwischt, bevor er aufgebrochen ist. Das Haus steht jetzt leer.«
    Die fünf Jungs und das Mädchen schwiegen für einen Moment. Dicht über dem Horizont verglühte lautlos ein Meteorit. »Worüber habt ihr gesprochen?« fragte Mike nach einer Weile.
    Dale sah ihn an. »Alles.«
    Harlen band sich den Schuh und schaukelte in der Hängematte. »Hat er dir geglaubt?«
    »Ja«, sagte Dale. »Er hat mir alle Notizbücher von Duane gegeben. Die alten mit allem, worüber er geschrieben hat.«
    Sie schwiegen wieder eine Zeitlang. Die leise Unterhaltung der Erwachsenen verschmolz irgendwie mit dem Zirpen der Grillen und dem Lärm der Ochsenfrösche an Onkel Henrys Teich. »Eines weiß ich«, sagte Mike. »Ich werde nie Farmer, wenn ich groß bin. Zuviel Arbeit. Bauarbeiter vielleicht, draußen arbeiten ist gut, aber niemals Farmer.«
    »Ich auch nicht«, sagte Kevin. Er kaute noch an einem Rettich. »Ich gehe auf die Ingenieurschule. Kernernergie. Vielleicht diene ich auf einem U-Boot.«
    Harlen schwang die Füße übers Geländer und schaukelte mit der Hängematte. »Ich werde was machen, das mir viel Geld einbringt. Vielleicht Grundstücksmakler. Oder Banker. Bill ist Banker.«
    »Bill?« sagte Mike.
    »Bill Cooper«, sagte Harlen. »Oder vielleicht werde ich Schmuggler.«
    »Whisky ist legal«, sagte Kevin.
    Harlen grinste. »Klar, aber andere Sachen, die sie dumm machen.«
    »Ich werde Profispieler«, sagte Lawrence, der auf dem Geländer saß. »Wahrscheinlich Fänger. Wie Yogi Berra.«
    »Hm-hmm«, sagten die vier Jungs wie aus einem Mund. »Klar.«
    Cordie saß ebenfalls auf dem Geländer. Sie hatte den Himmel betrachtet, aber jetzt sah sie Dale an. »Was willst du werden?«
    »Schriftsteller«, sagte Dale leise.
    Die anderen sahen ihn an. Dale hatte bisher noch nie so etwas angedeutet. Er holte verlegen eines von Duanes Notizbüchern aus der Tasche, das er bei sich hatte. »Ihr solltet das lesen. Wirklich. Duane hat Stunden - Jahre -damit verbracht, alles aufzuschreiben, wie die Leute aussehen, was sie sagen und wie sie gehen ...« Er verstummte und wußte, wie albern er sich anhörte, aber es war ihm einerlei. »Nun, es sieht so aus, als hätte er genau gewußt, was er werden wollte und wie lange er brauchen würde, es zu werden ... jahrelanges Arbeiten und Üben, bevor er so etwas Schwieriges wie eine Geschichte auch nur versuchen konnte ... «
    Harlen sah ihn blinzelnd und zweifelnd an. »Und du möchtest Duanes Bücher schreiben? Die Bücher, die er geschrieben hätte?«
    »Nein«, sagte Dale leise und schüttelte den Kopf. »Ich schreibe meine eigenen Geschichten. Aber ich
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