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Sommer am Meer

Sommer am Meer

Titel: Sommer am Meer
Autoren: Rosamunde Pilcher
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langjährige Freundin der Familie, und vor Jahren war sie auf der Hochzeit von Virginias Mutter eine kleine Brautjungfer gewesen.
    Alice selbst hatte vor ungefähr achtzehn Jahren geheiratet. Tom Lingard war damals ein junger Mann, im Begriff, den kleinen Familienbetrieb in der nahegelegenen Stadt Fourbourne zu übernehmen, der auf die Herstellung von schweren Maschinen und Geräten spezialisiert war. Unter Toms Leitung hatte die Firma expandiert, und nach einer Reihe erfolgreicher Übernahmen besaß sie nun Anteile an Betrieben von Bristol bis St. Just, dazu Schürfrechte, eine kleine Reederei und einen Vertrieb von Landbaumaschinen.
    Sie hatten keine Kinder, und Alice hatte ihre natürlichen Hausfrauentalente auf Haus und Garten konzentriert. Im Laufe der Jahre hatte sie das einstmals recht phantasielose Anwesen in ein bezauberndes Haus verwandelt, mit einem Garten, der laufend von den Gartenredakteuren der Hochglanzmagazine fotografiert und beschrieben wurde. Als Virginia und ihre Mutter vor zehn Jahren nach Cornwall gekommen waren, um Ostern bei den Lingards zu verbringen, hatte die Arbeit eben erst begonnen. Da Virginia in der Zwischenzeit nie in Haus Wheal gewesen war, hatte sie es diesmal kaum wiedererkannt. Alles war geschickt verändert, gerade Linien waren aufgelockert, Einfassungen und Begrenzungen wunderbarerweise entfernt worden. Die Bäume waren gewachsen und warfen lange Schatten auf ebene Rasenflächen, die sich erstreckten, so weit das Auge reichte. Der alte Obstgarten war in einen wilden Garten verwandelt, wo sich die herrlichsten altmodischen Rosen ineinander verrankten; und wo einst Stangenbohnen und Himbeersträucher in Reih und Glied wuchsen, da standen nun Magnolien und berauschend duftende Azaleen, höher als ein Mensch reichen konnte.
    Alice' erfolgreichstes Projekt aber war der Innenhof, der den Charme von Haus und Garten in sich vereinte. Geranien quollen aus Blumentöpfen, und an einer Seite hatte sie begonnen, eine dunkellila blühende Klematis an einem Spalier hochzuziehen. Vor kurzem hatte sie sich auch zu einem Klettergewächs entschlossen, und zur Zeit plünderte sie Ideen von Freunden und aus Büchern, um herauszubekommen, wie sie diese Pflanze pflegen sollte. Ihre Energien schienen unerschöpflich.
    Virginia zog sich einen Stuhl heran und ließ sich hinfallen, verwundert, wie heiß und abgespannt sie sich fühlte. Sie streifte ihre Sandalen ab und stützte die nackten Füße auf einen Hocker. „Ich war nicht in Porthkerris.“
    „Nein? Aber ich dachte, du warst auf der Post.“
    „Ich wollte nur ein paar Briefmarken. Die kann ich ein andermal kaufen. Es waren so viele Leute unterwegs und so viele Busse, so ein schwitzendes Menschengewühl, daß ich Platzangst bekommen und gar nicht angehalten habe. Ich bin einfach weitergefahren.“
    „Briefmarken kannst du von mir haben“, sagte Alice. „Komm, ich schenk dir Tee ein.“ Sie legte ihr Nähzeug hin, setzte sich auf, griff nach der Teekanne. Dampf stieg aus der zierlichen Tasse, duftend, erfrischend.
    „Milch oder Zitrone?“
    „Zitrone wäre köstlich.“
    „Und an so einem heißen Tag viel erfrischender, finde ich.“ Sie reichte Virginia die Tasse und lehnte sich wieder zurück. „Wohin bist du gefahren?“
    „Hm... oh, in die andere Richtung...“
    „Land's End ?“
    „Nicht so weit. Nur bis Lanyon. Ich habe den Wagen in einer Parkbucht abgestellt, mich in den Farn gesetzt und die Aussicht genossen.“
    „Wie schön“, sagte Alice und fädelte die Nadel ein.
    „Auf den Feldern wird gerade geheut.“
    „Ja, das denk ich mir.“
    „Es ändert sich nie, nicht? Ich meine, Lanyon. Keine neuen Häuser, keine neuen Straßen, keine Geschäfte, keine Wohnwagenplätze.“ Sie nahm einen Mundvoll glühendheißen Lapsang Suchong und stellte die Tasse dann vorsichtig auf den gepflasterten Boden neben ihren Stuhl. „Alice, wird Penfolda noch von Eustace Philips bewirtschaftet?“
    Alice hielt mit Nähen inne, nahm ihre Sonnenbrille ab und starrte Virginia an, ein fragendes Runzeln zwischen ihren dunklen Augenbrauen.
    „Was weißt du von Eustace Philips? Woher kennst du ihn?“
    „Alice, du hast ein schrecklich schlechtes Gedächtnis. Ihr selbst hattet mich mitgenommen, du und Tom, zu einem riesigen Grillfest auf den Klippen bei Penfolda. Es müssen mindestens dreißig Leute gewesen sein, und ich weiß nicht, wer es organisiert hatte, aber wir haben Würstchen am Feuer gebraten und Bier vom Faß getrunken. Das mußt du doch
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