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Sommer am Meer

Sommer am Meer

Titel: Sommer am Meer
Autoren: Rosamunde Pilcher
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noch wissen. Und dann haben wir bei Mrs. Philips in der Küche Tee getrunken!“
    „Jetzt, wo du mich erinnerst, fällt es mir wieder ein. Es war bitterkalt, aber sehr schön, und hinter Boscovey Head sahen wir den Mond aufgehen. Ja, ich erinnere mich. Aber wer hat das Grillfest veranstaltet? Eustace bestimmt nicht, er war immer zu sehr mit seinem Stall beschäftigt. Es müssen die Barnets gewesen sein. Er war Bildhauer und hatte einige Jahre in Porthkerris ein Atelier, bevor er nach London zog. Seine Frau flocht Körbe oder Gürtel oder so was, schrecklich folkloristisch, und sie hatten einen Haufen Kinder, die nie Schuhe trugen. Sie ließen sich immer die originellsten Parties einfallen. Es müssen die Barnets gewesen sein... Komisch, ich habe jahrelang nicht an sie gedacht. Und wir sind alle nach Penfolda gefahren.“ Doch hier ließ ihr Gedächtnis sie im Stich. Sie sah Virginia ratlos an. „Oder nicht? Wer ist auf das Grillfest gegangen?“
    „Mutter ist nicht mitgekommen. Sie sagte, so was wäre nicht ihr Fall...“
    „Womit sie sehr recht hatte.“
    „Aber du und ich und Tom sind hingegangen.“
    „Natürlich. In Pullover und Socken gemummelt. Ich bin nicht sicher, ob ich nicht einen Pelzmantel anhatte. Aber wir sprachen von Eustace. Wie alt warst du, Virginia? Siebzehn? Daß du dich nach all den Jahren noch an Eustace Philips erinnerst!“
    „Du hast meine Frage nicht beantwortet. Ist er noch in Penfolda?“
    „Da der Hof seinem Vater und dessen Vater und, soviel ich weiß, davor dessen Vater gehörte, hältst du es wirklich für möglich, daß Eustace seine Sachen packen und weggehen würde?“
    „Vermutlich nicht. Es ist bloß, als sie heute nachmittag das Heu eingeholt haben, da habe ich mich gefragt, ob er es war, der einen der Mähdrescher fuhr. Siehst du ihn manchmal, Alice?“
    „Kaum. Nicht, weil wir es nicht wollen, versteh mich recht, aber er arbeitet schwer auf seinem Hof, und Tom hat so viel mit seinem Betrieb zu tun, daß ihre Wege sich nicht oft kreuzen. Ich nehme an, sie treffen sich manchmal bei der Hasenjagd oder auf der Dreikönigsversammlung... du kennst ja solche Veranstaltungen.“
    Virginia nahm ihre Teetasse mit der Untertasse und betrachtete eingehend die gemalte Rose an der Seite. „Er ist verheiratet“, sagte sie.
    „Du sagst das wie eine unumstößliche Feststellung.“
    „Ist es das nicht?“
    „Nein. Er hat nie geheiratet. Weiß der Himmel warum. Ich fand ihn immer attraktiv, er war wie ein Naturbursche aus einem Roman von D. H. Lawrence. In Lanyon haben bestimmt eine Menge Frauen für ihn geschwärmt, aber er hat dem ganzen Haufen widerstanden. Anscheinend gefällt es ihm so.“
    Eustace' Frau, so flugs in der Phantasie gezaubert, starb ebenso schnell, eine Erscheinung, vom kalten Wind der Realität ins Nichts geweht. Statt ihrer stellte Virginia sich die Küche in Penfolda vor, trist und unaufgeräumt, die vergessenen Reste der letzten Mahlzeit auf dem Tisch, Geschirr im Spülstein, ein Aschenbecher voll Zigarettenkippen.
    „Wer sorgt für ihn?“
    „Das weiß ich nicht. Seine Mutter ist, glaube ich, vor ein paar Jahren gestorben. Ich weiß nicht, was er macht. Vielleicht hat er eine verführerische Haushälterin oder eine zum Heimchen gezähmte Geliebte? Ich weiß es wirklich nicht.“
    Und es ist mir auch schnuppe, ließ ihr Ton erkennen. Sie war mit dem Applizieren der Seidenkordel fertig, vernähte mit ein paar sauberen festen Stichen und riß den Faden mit einem kleinen Ruck ab. „So, geschafft. Ist die Farbe nicht göttlich? Aber es ist wirklich zu heiß zum Nähen.“ Sie legte die Arbeit beiseite. „Ach du liebe Zeit, ich muß wohl mal nachsehen, was es zum Abendessen gibt. Was würdest du zu einem köstlichen frischen Hummer sagen?“
    „, würde ich sagen.“
    Alice stand auf, ihr langes Gestell überragte Virginia. „Hast du deine Post gesehen?“
    „Ja, ich hab die Briefe eingesteckt.“
    Alice bückte sich, um das Tablett aufzuheben. „Dann laß ich dich jetzt allein“, sagte sie, „damit du sie in Ruhe lesen kannst.“
    Um das Beste bis zuletzt aufzubewahren, las Virginia zuerst den Brief ihrer Schwiegermutter. Das Couvert war dunkelblau, mit marineblauem Seidenpapier gefüttert. Das Schreibpapier war dick, die Adresse schwarz auf den Briefkopf geprägt.
     
     
    32 Welton Gardens, S. W. 8.
     
    Meine liebe Virginia,
    hoffentlich genießt Du das wunderbare Wetter, eine ziemliche Hitzewelle, gestern hatten wir
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