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Sommer am Meer

Sommer am Meer

Titel: Sommer am Meer
Autoren: Rosamunde Pilcher
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Mähmaschine, die Hemdsärmel über die braunen Unterarme hochgekrempelt, das Haar vom Wind zerzaust. Und weil es gefährlich war, so nahe heranzu gehen, stattete Virginia ihn flugs mit einer Ehefrau aus, die sie sich vorstellte, wie sie mit einem Korb über die Felder ging und ihn mit einer Thermosflasche Tee, vielleicht einem Königskuchen verpflegte. Sie trug ein rosa Baumwollkleid und eine blaue Schürze, und ihre langen nackten Beine waren gebräunt.
    Mrs. Eustace Philips. Mr. und Mrs. Eustace Philips aus Penfolda.
    Der Wagen glitt vorsichtig über den Hügelkamm, die Bucht, die weißen Strände und fernen Landzungen breiteten sich vor Virginia aus, und weit unten, bis hin zur blauen Ha fenbucht, waren die Häusergruppen und der normannische Kirchturm von Porthkerris zu sehen.
    Haus Wheal, wo die Lingards lebten, bei denen Virginia wohnte, lag auf der anderen Seite von Porthkerris. Wäre sie fremd gewesen, neu in der Gegend und zum erstenmal zu Besuch, wäre sie der Hauptstraße gefolgt, die direkt in die Stadt hinunter und auf der anderen Seite hinausführte, und wäre infolgedessen hoffnungslos im kriechenden Verkehr und in den Horden zielloser Touristen steckengeblieben, die über die zu schmalen Bürgersteige hinausquollen oder an se henswerten Ecken herumstanden, Eis schleckten, Postkarten aussuchten und in Schaufenster glotzten, die angefüllt waren mit Messingfischern, Keramikmeerjungfrauen und anderen Scheußlichkeiten, die als souvenirgeeignet galten.
    Weil sie aber keine Fremde war, bog Virginia, lange bevor die Häuser begannen, nach rechts ab und nahm den schmalen, von einer hohen Hecke gesäumten Weg, der sich über den Hügel am Stadtrand wand. Dies war beileibe keine Abkürzung, im Gegenteil, doch am Ende stieß der Weg durch einen Tunnel aus wilden Rhododendren, keine fünfzig Meter vom Tor von Haus Wheal entfernt, wieder auf die Hauptstraße.
    Durch ein weißes Gittertor ging es über eine holprige Zufahrt, die mit rosablühenden Steinbrechhecken gesäumt war. Das Haus im neogeorgianischen Stil war wohlproportioniert, mit einem Giebelbalkon über der Eingangstür. Die Zufahrt verlief zwischen kurzgemähten grünen Rasenflächen und Blumenbeeten, die den schweren Duft von Goldlack verströmten. Als Virginia den Wagen im Schatten des Hauses parkte, ertönte ein scharfes, rauhes Gebell, und Dora, Alice Lingards alte Spanielhündin, wechselte von der geöffneten Haustür, wo sie wegen der Kühle gelegen hatte, auf den gebohnerten Fußboden der Diele.
    Virginia blieb stehen, um Dora zu tätscheln und ihr kurz ein paar Worte zu sagen, dann ging sie hinein. Sie nahm ihre Sonnenbrille ab, denn nach der strahlenden Helligkeit draußen wirkte das Haus stockfinster.
    Auf der anderen Seite der Diele stand die Gartentür zum Innenhof offen, der nach Süden ging und die ganze Sonne einfing. Er war bei jedem Wetter, außer im tiefsten Winter, Alices Lieblingsplatz. Heute hatte sie wegen der Hitze die Bambusmarkisen heruntergelassen, und die hellen Leinenstühle und niedrigen Tischchen, die schon zum Tee gedeckt waren, hatten schmale Streifen von dem Schattenmuster, das die Markisen warfen.
    Auf dem Tisch in der Mitte der Diele lag die Nachmittagspost. Zwei Briefe für Virginia, beide in London abgestempelt. Sie legte Handtasche und Brille hin und nahm die Briefe. Einer war von Lady Keile und einer von Cara. Die Buchstaben waren in sorgfältiger Schreibschrift, wie sie es in der Schule lernte, gemalt, ein lieber, vertrauter Anblick.
     
    Mrs. A. Keile
    c/o Mrs. Lingard
    Haus Wheal
    Porthkerris (Cornwall)
     
     
    Nichts war falsch. Kein Rechtschreibfehler. Virginia fragte sich, ob Cara es allein zustande gebracht, hatte, oder ob Nanny ihr hatte helfen müssen. Mit den Briefen in der Hand ging sie durch die Diele nach draußen, wo ihre Gastgeberin anmutig in einem Liegestuhl lehnte, eine Näharbeit auf dem Schoß. Sie fertigte einen Kissenbezug aus korallenrosa Samt und faßte die Kanten mit einer Seidenkordel ein. Der Stoff lag wie ein riesiges herabgefallenes Rosenblatt in ihrem Schoß.
    Sie blickte auf. „Da bist du ja! Ich habe mich schon gefragt, wo du bleibst. Ich dachte, du steckst vielleicht im Stau.“
    Alice Lingard war eine großgewachsene, dunkle Frau Ende Dreißig. Ihre stramme Figur stand in krassem Gegensatz zu den langen, schlanken Armen und Beinen. Sie war für Virginia eine Freundin in mittlerem Alter, das heißt zu der Generation zwischen Virginia und Virginias Mutter gehörend. Sie war eine
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