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Someone like you - Dessen, S: Someone like you

Someone like you - Dessen, S: Someone like you

Titel: Someone like you - Dessen, S: Someone like you
Autoren: Sarah Dessen
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unserem Haus zurückgehen, da sagte sie: »Hallo, ich heiße Scarlett.«
    »Ich heiße Halley.« Ich versuchte meine Stimme so läs sig und selbstverständlich klingen zu lassen wie ihre. Noch nie hatte ich eine Freundin mit einem ausgefallenen Namen gehabt; die anderen Mädchen in meiner Klasse hießen Lisa, Tammy, Caroline, Kimberly. »Ich wohne da drüben.« Ich zeigte über die Straße auf mein Schlafzimmerfenster.
    Sie nickte, nahm ihre Tasche, die neben ihr gestanden hatte, rutschte ein Stück zur Seite und wischte kurz über die Stufe, auf der sie saß. Neben ihr war jetzt noch exakt so |15| viel Platz, dass jemand dort sitzen konnte, der ungefähr so groß war wie sie. Das Mädchen blickte mich an und lä chelte . Ich machte einen Schritt über den schmalen, von der Sonne ausgedörrten Grasstreifen an der Veranda und setzte mich neben sie. Gegenüber sah ich unser Haus. Wir redeten nicht sofort los, aber das war okay; wir würden ein ganzes Leben lang Zeit zum Reden haben. Ich saß einfach bloß neben ihr und betrachtete das Haus, in dem ich wohnte, die Garage, meinen Vater, der den Rasenmäher an den Rosenbüschen entlangschob. Lauter Sachen, die ich mein ganzes Leben lang gesehen hatte, die ich in- und auswendig kannte. Aber jetzt war plötzlich Scarlett an meiner Seite. Und von dem Tag an sah nichts mehr so aus wie vorher.
    Gleich nachdem ich mich von Scarlett am Telefon verabschiedet hatte, rief ich meine Mutter an. Meine Mutter ist Psychotherapeutin und auf Jugendliche spezialisiert. Aber obwohl sie über das Thema zwei Bücher geschrieben und Dutzende von Seminaren gehalten hat, obwohl sie sogar in diversen Fernsehtalkshows aufgetreten ist, um anderen Eltern Ratschläge zu geben, wie man mit seinen Kindern während der ach so schwierigen Pubertätszeit umgeht – wie sie mit mir klarkommen soll, weiß meine Mutter nicht so richtig. Da fehlt ihr der Durchblick.
    Als ich sie anrief, war es Viertel nach eins. Nachts.
    »Hallo?« Seltsamerweise klang meine Mutter über haupt nicht verschlafen, sondern hellwach. Doch das hatte sie einfach drauf; es gehörte zu dem, was sie professionelles Auftreten nennt und worauf sie enormen Wert legt:
Ich bin kompetent. Ich bin stark. Ich bin hellwach.
    »Mom?«
    |16| »Halley? Was ist passiert?« Im Hintergrund hörte ich Gemurmel; mein Vater war ebenfalls wach geworden.
    »Es ist wegen Michael Sherwood, Mom.«
    »Wer?«
    »Er ist tot.«
    »Wer ist tot?« Noch mehr und lauteres Gemurmel: mein Vater, der
Wer ist gestorben? Wer?
fragte.
    »Michael Sherwood«, antwortete ich. »Ein Freund von mir.«
    »Ach, du liebe Zeit!« Seufzend legte sie die Hand auf den Hörer; trotzdem verstand ich, wie sie meinem Vater sagte, er solle ruhig wieder einschlafen. »Ich weiß, mein Schatz, so was ist wirklich furchtbar. Aber es ist mitten in der Nacht. Von wo aus rufst du an?«
    »Vom Büro hier im Ferienlager«, erwiderte ich. »Du musst herkommen und mich abholen.«
    »Dich abholen?« Sie klang erstaunt. »Eigentlich sollst du noch eine ganze Woche dort bleiben.«
    »Ich weiß, aber ich will nach Hause.«
    »Du bist müde, es ist spät.« Ihr Tonfall hatte sich verän dert ; inzwischen hatte sie auf ihre Therapeutinnenstimme umgeschaltet, die ich nach all den Jahren nur zu gut kannte. »Ruf mich morgen wieder an, wenn du dich ein wenig beruhigt hast. Du willst sicher noch im Ferienlager bleiben und nicht vorzeitig abreisen.«
    »Er ist
tot
, Mom«, wiederholte ich. Jedes Mal, wenn ich das Wort aussprach, setzte Ruth, die mir nicht von der Seite wich, ihr teilnahmsvollstes Gesicht auf.
    »Ich weiß, Liebling, und es ist schrecklich. Aber wenn du nach Hause kommst, ändert das gar nichts. Das Einzige, was sich dadurch ändern würde, wären
deine
Sommerplä ne , und es gibt überhaupt keinen Grund   –«
    |17| Ich fiel ihr ins Wort: »Ich will aber nach Hause kommen. Ich muss nach Hause kommen. Scarlett hat mich angerufen, um es mir zu erzählen. Sie braucht mich.« Mein Hals schwoll beim Reden zu, es tat richtig weh. Sie kapierte einfach nicht. Sie kapierte nichts, nie.
    »Scarletts Mutter ist bei ihr, Halley. Scarlett braucht das nicht allein durchzustehen, das wird schon. Es ist so spät, Liebes. Bist du allein oder ist irgendwer bei dir? Deine Betreuerin vielleicht?«
    Ich holte tief Luft. Sah Michael vor mir, einen Jungen, den ich kaum kannte. Dennoch schien sein plötzlicher Tod auf einmal mehr zu bedeuten als alles andere auf der Welt. Ich dachte an Scarlett, die in ihrer hell
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