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Solo

Solo

Titel: Solo
Autoren: Jack Higgins
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davon, und Morgan schlug den Mantelkragen hoch und ging durch den Regen zur Rückseite der Albert Hall. Am Denkmal des Prinzgemahls blieb er stehen und schaute hinüber zum Hintereingang. Vor den Stufen waren drei uniformierte Polizisten postiert. Und zumindest einer an jeder der übrigen Türen, die von Morgans Platz aus zu sehen waren. Die Umhänge glänzten im Regen.
    In diesem Augenblick kam ein Lastwagen um die Ecke und
    hielt vor dem Künstlereingang. Die Bordwand trug den Namen einer der bekanntesten Brauereien Londons. Morgan beobachtete, wie mehrere Männer mit Regenmänteln und Mützen ausstiegen und anfingen, Bierkästen auszuladen, während die beiden diensttuenden Polizisten an der Tür ihnen zusahen.
    Morgan spurtete über die Straße, stellte sich dicht neben das
    Fahrzeug und wartete einen günstigen Augenblick ab. Die beiden jungen Polizisten hatten lachend die Köpfe zusammengesteckt. Einer der Liefermänner kam heraus, nahm einen Bierkasten und ging wieder hinein. Morgan ging ohne Zögern um die Rückseite des Lastautos herum, schnappte sich den nächsten Kasten, hievte ihn auf die Schulter und marschierte stracks zur Tür.
      Die beiden Polizisten lachten schallend, aber da war Morgan schon im Innern des Gebäudes. Er ging an der Loge des Bühnenportiers zu seiner Linken vorbei, schwenkte rechts in den Korridor ein und sah ein paar Meter vor sich den Liefermann, der offenbar auf die Bar zusteuerte.

      Er kam zu einer offenen Tür an der rechten Gangseite, die zu einer Treppe führte. Er schlüpfte rasch hinein, stellte den Bierkasten in einer dunklen Ecke ab und stieg bis zum nächsten Treppenabsatz hinauf.
      Jetzt konnte er das Orchester und das Klavierspiel sehr deutlich von irgendwo ganz in der Nähe hören und folgte einem der langen gewundenen Korridore, die so typisch für die Albert Hall sind. Dann sah er vor sich eine Tür mit der Bezeichnung Ausgang . Er öffnete sie, trat hindurch und befand sich am Beginn des Gangs, der hinunter zu den Treppen und dem freien Platz links vom Podium führte. Und hier sah er John Mikali.

      Der letzte Satz des Klavierkonzerts näherte sich seinem Ende, und Mikali saß wartend da und machte die Finger geschmeidig, während das Orchester weiterspielte; er atmete tief durch, wappnete sich für die gewaltige physische Anstrengung, die das Finale ihm abfordern würde.
      Er blickte zu Andre Previn auf, ließ ihn nicht aus den Augen, wartete, und im gleichen Moment sah er, wie hinter dem Dirigenten die Tür zum rückwärtigen Korridor aufging und Asa Morgan eintrat.
      Der Schock war so gewaltig, daß er sekundenlang wie versteinert dasaß. Katherine Riley, die ihn unverwandt beobachtet hatte, folgte seinem Blick, aber Morgan hatte sich schon wieder durch die Tür zurückgezogen und war verschwunden.
    Mein Gott, dachte Mikali. Er lebt. Der Hund hat es doch tatsächlich überlebt, und jetzt will er mich erledigen. Eine Stelle aus dem Bushido ging ihm durch den Sinn. Keine tiefere Einsamkeit als die des Samurai. Keine, es sei denn vielleicht die des Tigers im Dschungel.

      Er hatte keine Angst, vielmehr erfüllte ihn wilde Freude, eine Art unbändigen Jubels. Als Previn kurz nickte, stürzte Mikali sich in das dramatische Finale des Konzerts, das er von seinem ganzen reichhaltigen Repertoire zu seinem Paradestück gemacht hatte, und er spielte, wie er noch nie in seinem Leben gespielt hatte.

      Und als er geendet hatte, brach ein Beifallssturm aus dem Publikum los, wie er ihn in seiner ganzen Pianistenlaufbahn nie gehört hatte. Alles applaudierte, auch das Orchester und Previn, und die jungen Leute, die sich dicht ans Geländer drängten, streckten ihm die Hände entgegen.

      Er blickte hinauf zur Proszeniumsloge und sah Katherine Riley dort stehen, die Hände um die Balustrade geklammert, und zu ihm hinunterstarren, dann nahm Previn ihn beim Ellbogen und schob ihn den Laufgang entlang.
      Der Inspizient stand vor dem Grünen Zimmer. In jeder Hand hielt er ein Glas Champagner.
      «So etwas habe ich noch nie erlebt», sagte er, als das Getöse noch anschwoll und die Zuhörer anfingen, Mikalis Namen im Chor zu rufen.
      Mikali nippte am Champagner und grinste ein bißchen. «War ich gut, Maestro, oder nur stellenweise?»
      Previn war offensichtlich zutiefst bewegt, er trank Mikali zu. «Mein lieber Freund, zuweilen hat das Leben seine großen Augenblicke. Heute abend war ganz entschieden einer. Ich danke Ihnen.»

    Mikali
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