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Solar

Solar

Titel: Solar
Autoren: Ian McEwan
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gemeinsamen Zukunft, einem heiklen Thema, denn eines Tages würde die Anlage laufen, und dann würde er nicht mehr nach Lordsburg kommen müssen, sondern seine Zelte irgendwo anders im Südwesten aufschlagen oder Eisenspäne ins Meer nördlich der Galapagosinseln streuen oder rund um die Welt seine Patente ausschlachten. Diese unterschiedlichen Sichtweisen mochten problematisch sein, doch Beard unternahm lieber nichts. In ihrer unbeschwerten Intimität, in der Hitze und den scharfen Schatten von New Mexico ließ sich all das leicht auf die lange Bank schieben. Die Vergangenheit hatte ihm wiederholt gezeigt, dass die Zukunft ihre eigene Lösung bereithielt.
    Folglich genoss er es, sie zu sehen, ihr vom Grill eine Riesenportion Spareribs, Kartoffelsalat und Ketchup und einen großen Becher Bier zu holen, neben ihr im sentimentalen Gedudel der Country-Musik mit den säuselnd näselnden Pedal-Steel-Gitarren zu sitzen, ihre Neuigkeiten zu hören und ihr seine zu berichten. Während sie auf Tuchfühlung saßen, erzählte er ihr, alles Private weit umschiffend, das Neueste aus dem winzigen alten Königreich auf der anderen Seite des Ozeans, wo dem jüngsten Skandal zufolge die Steuergelder der Bürgerschaft, die sowieso schon knapp bei Kasse war, dafür genutzt wurden, dass die herrschende Klasse ihre Schlossgräben säubern, Dienstbotenquartiere bauen, Hosenbügler kaufen und Pornofilme ausleihen konnte. Nun würde im Smog der Pflastergassen verdreckter Städte und unter den verkeimten Strohdächern der Dörfer finster von Revolte gemunkelt. Sie wiederum erzählte ihm von Nickys Rückkehr zu den Anonymen Alkoholikern, bei denen sie zum vierten Mal Jesus gefunden habe, und nun sei sie schon seit zweiundzwanzig Tagen von Schnaps und Drogen runter, aber nicht von Zigaretten, und habe immer noch ihren Job in der Apotheke, allerdings nur noch gerade so.
    Als Darlene aufgegessen hatte, küsste sie ihn auf die Wange, während ihr Arm auf seiner Schulter lastete. »Aber die wichtigste Neuigkeit, Honey, bist du. Lordsburg kam gestern Abend in den Nachrichten von nbc; cnn hat auf der Main Street gedreht, gleich neben der Exxon-Tankstelle, und alle reden nur von morgen. Ich bin so stolz auf dich!«
    Sie sah ihn mit einem Ausdruck an, den er an ihr noch nicht kannte; dieser selbstzufriedene mütterliche Besitzerstolz machte ihn leicht unruhig. Aber er wollte sich weder diesen noch den grandioseren Augenblick, dessen Versprechen er enthielt, auf irgendeine Weise verderben lassen. Also küsste er sie, dann tranken sie noch ein Bier und teilten sich ein Schokoladen-Karamell-Pfefferminz-Eis. Schließlich standen sie auf, umarmten und küssten sich, und er sagte, er sei in einer Stunde wieder bei ihr. Er habe noch etwas zu erledigen.
    Er bahnte sich durch das belebte Gelände einen Weg zum Leitstand, wo die gesamte Mannschaft sich um den Rechner zur Anlagensteuerung drängte und auf seine Dankesrede wartete, die er sich auf dem Flug von London zurechtgelegt hatte. Hammer nahm würdevoll neben ihm Aufstellung, die Arme verschränkt wie ein Rausschmeißer. Von draußen waren Trompeten und eine Pikkoloflöte zu hören, begleitet vom Wummern einer Basstrommel. Die Blaskapelle, zumindest ein Teil davon, war einmarschiert und hatte zu proben angefangen.
    Das Team habe Wunder vollbracht, schmeichelte Beard seinen Zuhörern; was zunächst nur ein Traum gewesen sei, dann ein Wust hektischer Berechnungen, dann eine langwierige Testphase im Labor und schließlich eine Reihe von Konstruktionszeichnungen, sei nun hier in der Wüste zur technischen Realität geworden. Nirgendwo auf der Welt gebe es etwas Vergleichbares, von ein paar experimentellen Testreihen in einer Handvoll Konkurrenzlaboren einmal abgesehen. Doch wie großartig ihr Forschungs- und Entwicklungsprojekt auch sei, es blicke auf eine lange Vorgeschichte zurück. 1789 habe man zum ersten Mal Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt, 1839 zum ersten Mal das Prinzip der Brennstoffzelle diskutiert. Unzählige Biologen und Physiker hätten sich der Erforschung der Photosynthese gewidmet. Einsteins Photovoltaik und die Quantenmechanik hätten ebenso ihren Beitrag geleistet wie die Chemie, die Materialwissenschaften, die Proteinsynthese - praktisch die gesamten Naturwissenschaften hätten auf die eine oder andere Weise etwas zu dem großen Moment beigesteuert, vor dem sie nun stünden. Ja es gebe einen noch viel größeren historischen Zusammenhang. Jeder hier wisse, dass im umfassendsten
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