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Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)

Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)

Titel: Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)
Autoren: Maja Schulze-Lackner
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flüsterte er: »Feda, bist du es?«
    »Mein Gott, Fritz, dich schickt der Himmel. Ich bin kurz vor dem Erfrieren.«
    »Es ist die Baronin von Harden, Berger«, rief Fritz seinem Kollegen zu. »Die Dame ist mir persönlich bekannt. Ich geleite sie nach Hause.«
    »Das geht nicht.« Berger sah Fritz empört an. »Es muss eine Anzeige aufgenommen werden. Das hier ist eine strafbare Handlung. Erregung öffentlichen Ärgernisses nennt man das.«
    »Tut mir leid, Feda.« Ihr alter Freund sah sie bedauernd an. »Da kann ich nichts machen. Ich muss dich mit zur Wache nehmen.«
    Auf der Hauptwache, Fritz hatte Feodora seinen Mantel umgelegt, unterzog der Oberwachmann Krunke sie dem Verhör. »Name, Anschrift, geborene …«
    Als Feodora mit »Gräfin Troyenfeld« antwortete, blickte er kurz hoch und schüttelte ungläubig den Kopf, als zweifele er an ihrem Verstand. Noch fassungsloser war er, als er den Grund für ihren Ausritt hörte. »Eine Wette, so, so. Das ist ja allerhand. Würden Sie mir bitte erklären, um was für eine Wette es sich handelt?«
    »Nein, das werde ich nicht.« Feodora war nicht gewillt, irgendwelche Namen zu nennen. Auch die Androhung einer Beugehaft brachte sie nicht dazu. »Das ist allein meine Angelegenheit«, sagte sie.
    Nach zwei Stunden war der Wachmann offensichtlich des Fragens müde. »Ich werde Sie jetzt nach Hause entlassen. Aber Sie müssen mit einer Anzeige wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses rechnen.«
    Eine Droschke wurde gerufen, und Fritz und zwei berittene Gendarmen begleiteten sie in die Münzstraße.
    Am nächsten Tag berichteten alle Zeitungen in und um Königsberg über dieses Ereignis. Auch hier wurden, außer Feodoras, keine Namen genannt, aber in der Gesellschaft wusste jeder Bescheid. Der Grund dieser Wette hatte sich wie ein Lauffeuer verbreitet. Feodora und die Revenaus waren in aller Munde. Was für ein Skandal! Albert war außer sich. Immer wenn er aufgeregt war, tanzte der Zwicker auf seiner Nase, und heute machte er geradezu bedrohliche Sprünge. »Deine Freundin hat es geschafft, nicht nur die Revenaus unmöglich zu machen«, sagte er aufgebracht zu Ida, die sich vor Lachen kaum halten konnte, »sondern sich selbst obendrein. Wie kannst du das nur komisch finden?« Er war sichtlich empört.
    »Aber du kennst sie doch, Albert, es ist ihr völlig egal, was die Leute über sie denken … Was für eine Idee … nackt durch Königsberg …« Ida konnte sich gar nicht beruhigen.
    »Hoffentlich hat sie sich einen ordentlichen Schnupfen geholt«, sagte Albert, schon wieder leicht besänftigt. »Sie ist wirklich total verrückt, deine Freundin.« Und dann musste auch er lachen, und seine Empörung löste sich in Wohlgefallen auf. »Ich als ihr Anwalt muss ja wohl oder übel ihre Verteidigung übernehmen«, sagte er jetzt. »Die Verhandlung ist bereits in ein paar Tagen. Willst du nicht mitkommen nach Königsberg? Feda würde sich bestimmt freuen.«
    »Ach, das wäre zu schön.« Ida lächelte träumerisch. »Aber sieh mich an, ich ähnele einer Tonne. Doktor Grüben meint, es werde wohl bald so weit sein. Womöglich komme ich im Zug nieder. Was sollen wir denn dann als Geburtsort in die Geburtsurkunde eintragen lassen? Abteil 1. Klasse? Nein,fahr du mal allein. Wie ich meine Feda kenne, wird sie mir in ihren nächsten Briefen alles haarklein berichten …«
    Und so war es auch. Wahrheitsgetreu schrieb Feodora ihrer Freundin: »... glaub mir, Idachen, schon am nächsten Tag hatte ich diese unsägliche Wette vergessen. Und nun das! Aber Wettschulden sind Ehrenschulden, das habe ich in meiner Kindheit gelernt. Für die kleine Elsa tut es mir leid, aber ihren schrecklichen Eltern gönne ich die Schmach.« Und im nächsten Brief stand: »... habe ich Dir eigentlich geschrieben, wer mich sozusagen ›verhaftet‹ hat? Stell Dir vor, es war Fritz, Elfriedes Sohn, der heimliche Spielgefährte meiner unglücklichen Kindheit. Er hat bei dieser Gelegenheit Irma kennengelernt, und was glaubst Du? Sie haben sich verliebt! Das Leben geht schon seltsame Wege. Ich werde nach der Verhandlung für eine Weile untertauchen, bis Gras über die Sache gewachsen ist. In Berlin werde ich Georg treffen, er ist seinem ›Meister‹ dorthin gefolgt (ich finde, er spinnt langsam!), und auch den Lovis, du weißt der verrückte Corinth, hat es von Wahnmoching dorthin verschlagen, aus welchen Gründen auch immer. Ich werde auf jeden Fall amüsante Gesellschaft haben. Also bis bald, liebste Freundin.
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