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Sokrats für Manager

Sokrats für Manager

Titel: Sokrats für Manager
Autoren: Andreas Drosdek
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Anscheinend konnte Sokrates sich mühelos den Verlauf eines Gesprächs merken und immer wieder zum kritischen Kern der jeweiligen Untersuchung vorstoßen. Gleichzeitig schöpfte er auch immer aus einem eigenen, fundier-ten Erfahrungsschatz. Obwohl er sich offene Fragen eingestand, hatte er doch gleichzeitig oft ein Verständnis, das dem der angeblichen Experten gleichkam oder es sogar übertraf. Als Sokrates etwa mit dem Priester Euthyphron kurz vor seiner Verurteilung zum Tode die Frage zu klären suchte, was Frömmigkeit wäre, sprach er dabei auch aus einer tiefen eigenen Frömmigkeit heraus. Zu diesem Zeitpunkt hatte er schon lange gehorsam auf eine innere Stimme gehört, die ihn manchmal vor bestimmten Handlungen warnte – wie etwa die Warnung, sich nicht an der Athener Politik zu beteiligen. Das erwies sich als guter Rat, denn fast alle Machtpolitiker gerieten in dem dau-ernden Auf und Ab zwischen Demokratie und Ari-stokratenherrschaft früher oder später in die Mühlen der Politik und endeten in der Verbannung oder wurden von der Seite, die sich gerade an der Macht befand, zum Tode verurteilt. Sokrates selbst konnte einem solchen Schicksal zumindest bis zum Alter von 70 Jahren entgehen, was sicherlich nicht möglich gewesen wäre, wenn er sich an den politischen Wirren seiner Zeit beteiligt hätte Als Sokrates wiederum mit dem Kriegshelden Laches das Wesen der Tapferkeit diskutierte, sprach er auch dort aus Erfahrung. Sokrates nahm in seiner Lebenszeit an mindestens drei der griechi-schen Bürgerkriege als Soldat teil und zeichnete sich dabei durch außergewöhnliche Tapferkeit aus.
    Einmal rettete er sogar dem späteren Athener Führer Alkibiades das Leben, als er den Verwundeten mitten im Schlachtgetümmel vom Schlachtfeld trug. Auch politisch zeigte Sokrates großen Mut, als er einmal zu einem politischen Amt gezwungen und von den dreißig Tyrannen beauftragt wurde, einen Unschuldigen, aber politisch Unbotmäßigen zu verhaften und der Todesstrafe zuzuführen. Statt dem Befehl zu gehorchen, ging Sokrates seelenru-hig nach Hause und unternahm nichts. Wahrscheinlich rettete ihm damals nur die kurz darauf erfolgende Ablösung der Tyrannenherrschaft das Leben. Sokrates selbst beschreibt diese Situation in seiner Verteidigungsrede vor den Athenern folgendermaßen: »Nachdem aber die Regierung an einige wenige gekommen, so ließen einst die Dreißig mich mit noch vier anderen auf die Tholos holen und trugen uns auf, den Salaminier Leon aus Salamis herzubringen, um ihn hinzurichten, wie sie denn dergleichen vieles vielen andern auch auftru-gen, um so viele als irgend möglich in Verschuldun-gen zu verstricken. Auch da nun zeigte ich wiederum nicht durch Worte, sondern durch die Tat, dass der Tod, wenn euch das nicht zu bäurisch klingt, mich auch nicht das Mindeste kümmerte, nichts Ruchloses aber und nichts Ungerechtes zu begehen, mich mehr als alles kümmert. Denn mich konnte jene Regierung, so gewaltig sie auch war, nicht so erschrecken, dass ich etwas Unrechtes tat. Sondern als wir von der Tholos herunterkamen, gingen die viere nach Salamis und brachten den Leon; ich aber ging meines Weges nach Hause. Und vielleicht hätte ich deshalb sterben gemusst, wenn nicht jene Regierung kurz darauf wäre aufgelöst worden. Dies werden euch sehr viele bezeugen können.«
    Sokrates war bei seinen Zeitgenossen für seine Tapferkeit berühmt. Trotzdem ließ er sich von der eigenen Biographie nicht blenden. Als der Krieger Laches die Tapferkeit vor dem Feind als die eigentliche Form des Mutes propagierte, hielt Sokrates dagegen: »Das ist nun eben was ich meinte, ich wäre Schuld daran, dass du nicht recht geantwortet hast, weil ich dich nicht recht gefragt habe; denn ich wollte nicht nur erfahren, welches die Tapfern im Fußvolke wären, sondern auch in der Reiterei, und in Allem was zum Kriege gehört; und nicht nur die im Kriege, sondern auch die Tapfern in den Gefahren zur See, ferner auch die, welche in Krank-heiten und in Armut und in der Staatsverwaltung tapfer sind, ja noch mehr, nicht nur die gegen den Schmerz tapfer sind und gegen die Furcht, sondern auch die gegen Begierden und Lust stark sind zu fechten, und sowohl standhaltend als umwendend. Denn es sind doch Einige, o Laches, auch in diesen Dingen tapfer?« Dann erweiterte er die mögliche Definition noch auf die Selbstbeherrschung und Selbstüberwindung des Menschen: »Tapfer also sind alle diese, aber Einige beweisen in der Lust, Einige in der Unlust,
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