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Soforthilfe bei Stress und Burn-out

Titel: Soforthilfe bei Stress und Burn-out
Autoren: Horst Kraemer
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»Ausmusterungsquote«. Bei den Verwaltungsberufen fällt die hohe Kranken- und Ausfallquote auf; Frühpensionierung ab 55 Jahren ist in vielen Berufen eine ständige und teure Realität. Trotz dieser Fakten und der bisher stattgefundenen öffentlichen Diskussion hat die Debatte, ob es diesen Zustand »Burn-out« überhaupt gibt, wieder deutlich zugenommen.
    Was bedeutet es, dass eine solche Tendenz in unserer Gesellschaft wieder einsetzt? Es ist sicher nicht so, dass die Faktoren, die für Burn-out sprechen, generell abgestritten würden. Aber eine wesentliche Komponente ist, dass die Auswirkungen und Beschreibungen bisherigen Krankheitsdiagnosen gleichen und deshalb auch pathologisierbar erscheinen.
    Während eine Depression meist eine »Privatsache« ist,
zu der man eher beschämt und verhalten öffentlich steht, setzt der Begriff »Burn-out« eine gesellschaftlich erwünschte Verhaltensweise voraus: Leistung.
    Der Begriff »Burn-out« formuliert gleichzeitig den Mythos des Ausgebranntseins als Folge einer länger anhaltenden Leistungserbringung. Aber die Leistung wurde ja scheinbar nicht für sich selbst erbracht, sondern für andere (der Parteivorsitzende arbeitete für seine Partei, der Angestellte für seinen Arbeitgeber, die Mutter für ihre Kinder, der Lehrer für seine Schüler usw.). Damit wird der Zustand des Burn-out unbewusst oder auch bewusst einem anderen Nutznießer, einem »Schuldigen«, zugeordnet. Dies hat seine historische Ursache vermutlich darin, dass die ersten Burn-out-Diagnosen rein für helfende Berufe gestellt und beschrieben wurden. Dieser Zusammenhang hat allerdings fatale Folgen, weil er einfach erkennbare Ursachen für ebenso einfach erkennbare Dysfunktionen unterstellt. Dadurch werden Diskussionen und Bestrebungen verhindert, die Situation ganzheitlich zu betrachten und Veränderungen am richtigen Platz zu initiieren, Aufklärung zu betreiben, effektive Methoden zur Vermeidung oder schnellen Auflösung zu entwickeln und zugänglich zu machen. Zwei Beispiele aus meiner Praxis können dies verdeutlichen:
    Auf Wunsch des Personalvorstands einer großen Versicherungsgesellschaft traf ich mich mit der Abteilungsleiterin der neu gegründeten Gesundheits-Abteilung. Ich sollte ein Stressprophylaxe-Programm vorstellen, und die Geschäftsleitung hatte Interesse, ein solches Programm im Konzern einzuführen. Die Abteilungsleiterin stand unserem Angebot aufgeschlossen gegenüber, hatte aber in der Personalabteilung insgesamt keine Unterstützung. Das angedachte
Projekt scheiterte bereits an der Pilotveranstaltung, für die es nicht gelang, einen passenden Termin zu finden. Nach vier Terminverschiebungen stellte ich die Grundsatzfrage. Man gab mir zur Antwort: »Es kann ja nicht sein, dass die Geschäftsleitung uns einen Stresscoach schickt, der noch mehr Leistung aus uns herausquetscht, anstatt unsere Arbeitsbedingungen zu verbessern.«
    Eine ähnliche Haltung zeigt das zweite Beispiel. Bei einem Seminar zum Thema »Burn-out« mit Verwaltungsmitarbeitern eines deutschen Bundeslandes bekam ich entgegen meiner Gewohnheit eine recht schlechte Seminarleitungsbeurteilung. Was war geschehen? Die Erwartungen der Seminar-TeilnehmerInnen deckten sich in keinster Weise mit meinem Selbstverantwortungsansatz. Sie erwarteten konsequent Tipps, wie sie von außen »betankt« werden konnten. Und die Verantwortung für diese Treibstoffzufuhr liegt in erster Linie beim Arbeitgeber, in diesem Falle beim Staat. Da ich nicht bereit war, dort eine Revolution für bessere Arbeitsbedingungen, mehr Personal und weniger Aufgaben anzuleiten, hatte ich in dieser Gruppe nach Ende des Seminars nur wenige Freunde.
    Die Arbeitsbedingungen sind immer eine wichtige Stress- und damit Burn-out-Quelle. Die Verantwortung dafür tragen aus meiner Sicht immer zwei Seiten: die Arbeitgeber und der Mitarbeiter. Die Verantwortung für den Umgang mit Stress und die eigene Qualitätserhaltung trägt jedoch immer der Einzelne selbst. Abnehmen kann ihm diese Verantwortung niemand - genauso wenig, wie die Auswirkungen von nicht gelungenem Stressumgang nur von der betroffenen Person selbst getragen werden können.

    Bei beiden oben genannten Beispielen änderte sich nichts, die Chancen für die betroffenen Menschen blieben ungenutzt. Natürlich hatten die Geschäftsleitungen in erster Linie keine
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