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Söhne der Rose - Die Zeit ist aus den Fugen- (Gay Phantasy) (German Edition)

Söhne der Rose - Die Zeit ist aus den Fugen- (Gay Phantasy) (German Edition)

Titel: Söhne der Rose - Die Zeit ist aus den Fugen- (Gay Phantasy) (German Edition)
Autoren: Thorsten Bonsch
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ab. Obwohl ich 1997 nicht besonders viel Zeit in dieser Ortschaft verbracht hatte, erkannte ich erstaunlich vieles wieder. Das kleine Cafe Trout im sechziger Jahre Design gab es noch. Dort hatten sich die Schüler der höheren Klassen der Old Orchid High School immer nach dem Unterricht oder zum Schwänzen getroffen. Stevens Fischladen, einer von überflüssig vielen hier in Cape Orchid, die alte Stadtbibliothek mit ihrer von Bougainvilleen überwuchertem Garten, der kleine Park am Helenbrook Drive, die Pavilion Shopping Mall, die nachts heller leuchtete als ein gestrandetes Raumschiff: Alles war beinahe unverändert vorhanden. Sie hatten ein neues Schwimmbad errichtet, dort, wo früher einmal die Fabrik von Coleman gestanden hatte, und einen neuen Kinokomplex, der hier in Cape Orchid genau so fehl am Platze schien, wie ein Strauß in einem Spatzennest. Ein Riesenbanner von der Größe mehrerer Garagentore warb mit einem jungen, schwarzgelockten Zombie und einem Smiley vor gekreuzten Knochen. Diese Werbung, so interessant sie war, trug ebenfalls nicht dazu bei, den Betonriesen in die Kleinstadtidylle zu integrieren.
    Wir fuhren weiter nördlich, durch das Stadtzentrum; ein hochtrabender Begriff für einen Ort dieser Größe. Viele Einwohner waren zu dieser frühen Stunde bereits unterwegs – kein Wunder bei dem tollen Wetter. Aber auch eine Menge Touristen. Man erkannte sie sofort an ihren kurzen Hosen. Sie waren die Hitze nicht gewohnt. Die Einheimischen trugen lange Jeans.
    Wir passierten das altehrwürdige Gerichtsgebäude direkt neben dem Rathaus, das vor langer Zeit einmal von einem aus Europa eingewanderten, geisteskranken Architekten mit einem perversen Sinn für Türmchen, Spitzen und Verzierungen entworfen worden sein musste. Warum sie diese Beleidigung für das menschliche Auge nicht längst durch eine wesentlich geschmackvollere Bretterbude ersetzt hatten, blieb mir ein Rätsel.
    Dann durchquerten wir das kleine Industriegebiet im Nordosten, das hauptsächlich auf Raffinerie ausgelegt war. Ganz entfernt konnte ich den Leuchtturm erkennen. Den Leuchtturm. Wo war meine Mom jetzt? Ich könnte sie tatsächlich besuchen, sie wiedersehen.  
    Nein.
    Nicht jetzt. Später vielleicht, wenn alles vorbei war.
    Ein tröstlicher Gedanke. Er war wie ein Energieschub; jetzt hatte ich etwas, auf das ich mich freuen konnte.
    „Durst“, sagte ich, aber es kam nur gebrochen heraus.
    „Was? Was hast du gesagt?“
    „Durst. Wasser.“
    „Ich glaube, er möchte etwas trinken.“
    „Daxx meint, Julian möchte trinken.“
    Ich sah, wie Alain sich vorbeugte, etwas aus einer Tasche im Fußraum hervorkramte und es unsicher Daxx’ für ihn unsichtbare Hand reichte. Daxx öffnete die Flasche Mineralwasser und setzte sie an meine Lippen. Noch nie hatte mir Wasser so gut geschmeckt, trotzdem lief mir die Hälfte die Mundwinkel hinab. Daxx nahm die Flasche immer wieder zurück und wischte mein Gesicht ab. Er war so süß in seiner fürsorglichen Art, und dieser Gefühlsschub minderte meine Schmerzen ein wenig mehr. Ich war dankbar, dass es ihn gab.
    Es dauerte nicht allzu lange, bis wir Santa Ana passierten und weiter auf der 91 in Richtung Nordosten fuhren. Vielleicht kam es mir aber nur deshalb nicht besonders lang vor, weil ich zwischendurch immer wieder einnickte. Wie in Trance nahm ich die an uns vorbeiziehende Landschaft, das gleichmäßige Säuseln des Motors und die wenigen Gespräche zwischen meinen Mitreisenden in kurzen und langen Intervallen wahr. Mein Gefühl für Zeit ließ mich vollkommen im Stich – was irgendwie recht ironisch war, berücksichtigte man, dass ich sie beherrschen konnte. Oder gekonnt hatte?
    Hin und wieder gab mir Daxx etwas zu trinken und ich nahm es dankbar an, ohne zu wissen, ob ich ihn jedes Mal darum gebeten hatte. Das Kratzen in meinem Hals wurde im Laufe des Morgens besser und die Zeiträume, in denen ich meine Umgebung bewusst wahrnahm, länger, bis ich letztendlich kein Verlangen mehr nach Schlaf hatte. Das war, kurz nachdem wir auf die Interstate 10 abgebogen waren.
    „Was ist geschehen?“, fragte ich mit rauer Stimme, als hätte ich die Nacht durchgezecht und dabei mindestens drei Schachteln Zigaretten geraucht. Immerhin verstanden sie mich jetzt wieder.
    „Das war ziemlich fab“, sagte Daxx, während Alain gleichzeitig „Du hast es geschafft“, sagte.
    „Daxx redet“, bemerkte Sinh knapp. Alain hielt sich zurück, sah mir und Daxx’ Kleidung aber aufmerksam zu.
    „Wir haben
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