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Söhne der Erde 17 - Gefangene Der Zeit

Söhne der Erde 17 - Gefangene Der Zeit

Titel: Söhne der Erde 17 - Gefangene Der Zeit
Autoren: Susanne U. Wiemer
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Transportschacht nach oben geführt hatte.
    Jetzt war nur noch der Schacht da. Ein Brunnen vielleicht, den irgendwann Bewohner der Insel gebohrt hatten, und der später eingestürzt war, sodaß bei Flut Salzwasser eindrang. Die beiden Männer standen bis zu den Hüften im Wasser. Gillon biß die Zähne zusammen, starrte nach oben und grub die Zähne in die Unterlippe.
    »Du zuerst!« stieß er hervor. »Ich warte auf Cris.«
    »Aye«, murmelte Beryl mit belegter Stimme.
    Rasch preßte er den Rücken gegen die Felsen, stemmte die Füße an die gegenüberliegende Wand und begann, sich aufwärts zu schieben. Gillon wartete, mit hämmerndem Herzen.
    Das Wasser stieg. Schon füllte es den Gang völlig aus, und Gillon wußte, daß Cris nicht mehr kommen würde.
    Trotzdem wartete der rothaarige Krieger bis zur letzten Sekunde, bevor er sich ebenfalls an den Aufstieg machte.
    *
    Wasser ...
    Ein Sturz durch die Ewigkeit, der in erstickender Schwärze endete, in der tödlichen Umklammerung von Kälte und Dunkelheit, zermalmendem Druck und Panik. Charrus gepeinigten Lungen schrieen nach Luft. Er sah nichts, hörte nichts. Mit aller Kraft hielt er den Körper seines Bruders umklammert, und ein Rest von klarem Verstand sagte ihm, daß sie in einer anderen Zeit, aber noch am gleichen Ort waren.
    Unter Wasser!
    Auf dem Meeresgrund! Hilflos dem Ertrinken, dem Ersticken preisgegeben!
    Blindlings begann Charru, sich nach oben zu kämpfen. Neben sich, hinter sich spürte er Bewegung. Sie konnten nicht allzu tief unter Wasser sein. Jordan Magners Festung hatte unmittelbar an der Seeseite des Riffs gelegen. Schon nahmen Charrus Augen den ersten schwachen Lichtschimmer wahr. Er sah Camelo mit wehendem schwarzem Haar, sah Jon Erec, der mechanisch und ohne die geringste Panik Schwimmbewegungen machte. Charrus Lungen schrieen nach Luft. Aufwärts ... Aufwärts ... Rote Funken explodierten vor seinen Augen gleich zerplatzenden Sonnen. Todesangst packte ihn, überschwemmte sein Hirn, überrannte jede Vernunft. Und dann durchstieß sein Kopf den Wasserspiegel.
    Luft!
    Warme, lebenspendende Luft! Die Luft der Südinseln, die seine Lungen füllte, das Brennen der Kehle linderte und wie mit sanften Fingern über sein Gesicht strich.
    Camelo und Jon Erec tauchten dicht neben ihm auf.
    Jarlon war halb bewußtlos, rang verzweifelt nach Atem und stöhnte, während Charru seinen Kopf über Wasser hielt. Sekundenlang existierte nichts außer der schwindelerregenden Erleichterung, dann übertönte Camelos Stimme das Rauschen der Wellen.
    »Das Schiff! Es läuft aus der Lagune! Sie haben es geschafft, alle!«
    Ein paar Minuten später kletterte Charru unter einigen Verrenkungen die Strickleiter hinauf, eine Hand fest um das Gelenk seines Bruders geklammert, der dem Zusammenbruch nahe war.
    Karsteins kräftigen Fäuste hoben Jarlon über das Schanzkleid und betteten ihn auf die Planken. Lara stürzte auf Charru zu und schlang die Arme um ihn, als wolle sie ihn nie mehr loslassen. Camelo schwankte, als er sich ebenfalls über das Schanzkleid zog. Er warf einen raschen Blick in die Runde.
    »Vollzählig?« stieß er zwischen zwei keuchenden Atemzügen hervor.
    Gerinths zerfurchtes Gesicht verdüsterte sich.
    »Gillon, Beryl und Cris fehlen«, sagte er leise. »Sie wollten uns den Rücken decken und ...«
    »Da sind sie!«
    Es war Yatturs Stimme, die dazwischenfuhr. Erregt deutete der junge Fischer zum Strand hinüber, und jetzt sahen auch die anderen die beiden Männer, die dort standen und die Arme schwenkten.
    Charru erkannte Beryls blonden Schopf und das rote Haar Gillons von Tareth. Aber er suchte vergeblich nach Cris, und jäh verflog die euphorische Erleichterung, die er eben noch empfunden hatte.
    Die Gesichter der beiden Männer wirkten blaß und erschöpft, als sie wenig später das Boot an der Strickleiter festmachten und an Bord kletterten.
    Gillon berichtete knapp. Ein Bericht, der wenig Hoffnung ließ. Charru hörte Malin aufschluchzen und straffte die Schultern.
    »Vielleicht hat sich Cris in den abzweigenden Gang gerettet, den er entdeckt hatte«, meinte er. »Vielleicht gibt es Höhlen auf der Insel, die höher als der Meeresspiegel liegen.«
    »Ja, vielleicht«, bekräftigte Gillon.
    Dabei lächelte er Malin zu, und das Lächeln sagte ihr, daß sie nicht so einfach aufgeben würden.
    Charrus Blick hing an der Insel, die friedlich in der Sonne lag.
    Sie hatte ihr Gesicht nicht verändert, trotz des Abgrundes von mehr als zweitausend Jahren.
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