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Söhne der Erde 06 - Das Erbe des blauen Planeten

Söhne der Erde 06 - Das Erbe des blauen Planeten

Titel: Söhne der Erde 06 - Das Erbe des blauen Planeten
Autoren: Susanne U. Wiemer
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schwach, er hatte nie gelernt, auf eigenen Füßen zu stehen. Er war sein Leben lang Bar Nergals Geschöpf gewesen, und jetzt, da ihm der Oberpriester keine Zuflucht mehr bot, drohte er unter der ersten Belastung zu zerbrechen.
    Mircea Shar hatte beobachtet, wie der junge Akolyth aus der Stadt floh; schwankend, mit weiten, leeren Augen, mehr instinktiv als bewußt einen Weg wählend, auf dem ihn die Wachtposten nicht sehen konnten. Jetzt, da er sich den Ausläufern der Hügel näherte, mußten sie ihn entdeckt haben. Mircea Shar beschleunigte seine Schritte. Sein erster Impuls war es gewesen, sich an Charru zu wenden, dann hatte er sich gesagt, daß der Fürst von Mornag genug Probleme hatte, auch ohne Dayels völlig sinnlose Flucht. Vermutlich wußte der Junge nicht einmal, wohin er überhaupt wollte. Mircea Shar raffte seine Robe, während er über einen Geröllwall kletterte. Ein paar Minuten später hatte er die schmale Gestalt wieder im Blickfeld.
    »Dayel!« rief er. Und nochmals: »Dayel! Bleib stehen!«
    Der Junge zuckte zusammen.
    Er blieb tatsächlich stehen: verkrampft, mit hochgezogenen Schultern, als erwarte er einen Hieb. Langsam drehte er sich um. Mircea Shar erreichte ihn mit wenigen Schritten.
    »Dayel! Wo willst du hin?«
    Der Junge schluckte. Seine Augen flatterten.
    »Ich will weg! Ich habe Angst. Ich will nicht hierbleiben!«
    »Aber du mußt hierbleiben, das weißt du doch«, sagte Mircea Shar geduldig. »Also komm jetzt und ...«
    »Nein! Ich will hier weg!«
    »Das ist doch Unsinn. Du würdest in der Wüste verdursten oder den Fremden aus den Hügeln in die Hände fallen. Was hattest du denn vor? Einfach immer weiterzulaufen?«
    »Ich weiß nicht.« Dayels Lippen zitterten. »Ich will nicht noch eine Nacht in dem Labyrinth verbringen. Ich habe Angst.
    » Du brauchst keine Angst zu haben. - Nicht, solange du vernünftig bist und nicht einfach davonläufst. Mitten unter den anderen kann dir nichts geschehen.«
    »Sie hassen mich«, flüsterte der Junge.
    Mircea Shar schüttelte den Kopf.
    »Nein, Dayel«, sagte er ernst. »Sie hassen dich nicht. Niemand ...«
    Das Poltern eines Steins unterbrach ihn.
    Mit gerunzelter Stirn sah er sich um, und im nächsten Moment hatte er das Gefühl, als presse ihm eine kalte Faust das Herz zusammen.
    Zwischen Felsen und Gestrüpp des nahen Hangs war ein Dutzend zerlumpter, zotteliger Gestalten erschienen, in deren Augen tödlicher Haß glühte.
    *
    Der Wachtposten hatte Dayel und Mircea Shar später gesehen, als es von dem hohen Turm möglich gewesen war.
    Als die Meldung kam, schwangen sich Karstein, Camelo und Gillon schon in den Polizei-Jet. Charru übernahm selbst das Steuer. Er wollte vermeiden, daß es eine Auseinandersetzung gab. Denn er ahnte, daß der Priester, der da in die Wüste floh, in einem Zustand sein mußte, in dem er vielleicht blindlings um sich schlagen würde.
    Zwei Priester, wie er gleich darauf von dem Wachtposten erfuhr.
    Bar Nergal und einer seiner Anhänger, Zai-Caroc vielleicht? Oder Dayel? Aber wer war dann der zweite?
    Ein paar Minuten später wußte er es.
    Der Jet glitt auf die Ausläufer der Hügel zu. Charru erkannte Dayels zerfetzte Akolythenrobe und das verblichene karmesinfarbene Gewand des Tempelhüters. Gleichzeitig sah er die Bewegung zwischen den Büschen des Hangs und hielt den Atem an, als er die bärtigen, ausgemergelten Gestalten der Fremden entdeckte.
    Neben ihm richtete sich Camelo erschrocken auf.
    »Sie greifen an!« stieß er hervor. »Verdammt, wir kommen zu spät! Sie können sich doch überhaupt nicht wehren!«
    Charru preßte die Zähne zusammen, bis sein Kiefer schmerzte.
    Er beschleunigte, ließ den Jet wie ein Pfeil auf die Menschengruppe zuschießen. Aber auch er wußte, daß sie zu spät kamen. Um wenige entscheidende Sekunden zu spät! Seine Muskeln verkrampften sich. Er setzte zur Landung an, drückte das Fahrzeug steil nach unten, und währenddessen schien das Verhängnis wie ein Film vor seinen Augen abzulaufen.
    Er sah, wie sich die zerlumpten Gestalten mit Knüppeln und Eisenstangen auf ihre Opfer stürzten, sah ein Messer blitzen, sah Mircea Shar, der sich den Angreifern mit ausgebreiteten Armen entgegenwarf. Ein Ruck ging durch den Körper des Tempelhüters. Dayel schrie immer noch. Staub wölkte auf, und im nächsten Moment landete der Jet mit einem harten Ruck zwischen den Felsen.
    Charrus Schulter rammte die hochschwingende Kuppel, so schnell sprang er hinaus. Seine Hand flog zum Schwert.
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