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Söhne der Erde 04 - Tage Des Verrats

Söhne der Erde 04 - Tage Des Verrats

Titel: Söhne der Erde 04 - Tage Des Verrats
Autoren: Susanne U. Wiemer
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hinüber, der mit den anderen die Gegend erkundete, gekleidet wie sie, mit einem Schwert am Gürtel. Ayno war ein Verräter; die Strafe der Götter würde ihn treffen. Dayel schauerte und preßte sich unwillkürlich dichter an den Felsen, der die Hitze des Tages speicherte. Der Wind zerrte an seinem braunen Haar.
    In der Umgebung des Schiffs gab es jetzt keinen Wind mehr. Es mußte Zauberei sein. Ein Werk der Götter, die ihre Welt unter dem Mondstein zerstört hatten und nun die Überlebenden verfolgten. Dayel zweifelte nicht an der Existenz dieser Götter. Schließlich hatte er sie gesehen, schon unter dem Mondstein. Aber er hatte auch gesehen, daß man gegen sie kämpfen konnte, und manchmal, so wie jetzt, nagten Fragen an ihm - Fragen, die er niemandem zu stellen wagte. Was war, wenn Bar Nergal sich irrte, wenn die Götter in Wahrheit böse waren und ihnen nicht verzeihen würden?
    War es dann vielleicht besser, sich nicht zu unterwerfen? Konnte man nicht versuchen, ohne die Götter zu leben, so wie die Tiefland-Stämme, so wie Ayno? Es war der Fürst von Mornag gewesen, der sie aus der fremden Stadt gebracht, durch die Wüste geführt und schließlich vor den schrecklichen Feuerstrahlen gerettet hatte. Er wagte es, mit den Maschinen der Götter umzugehen. Er war ihnen entkommen, als sie ihn gefangengenommen hatten. Und er hatte Ayno gerettet, für den Bar Nergal keinen Finger gerührt hätte. Einen Augenblick durchzuckte Dayel die Gewißheit, daß auch sein Leben dem Oberpriester gleichgültig war, daß es vielleicht besser sei, dem Fürsten von Mornag zu folgen, doch er schob den ketzerischen Gedanken erschrocken von sich.
    Sein Blick irrte umher, als fürchte er, daß ihm jemand seine Zweifel vom Gesicht ablesen könne.
    Man durfte nicht zweifeln. In der Welt unter dem Mondstein waren Folter und Tod die Antwort darauf gewesen. Und jetzt? Dayel runzelte die Stirn, als ihm plötzlich klarwurde, daß der Oberpriester gar nicht mehr die Macht hatte, jemanden zu foltern oder umzubringen. Nicht unter den Augen der Tiefland-Krieger. Sie würden es nicht dulden...
    Instinktiv zog sich Dayel tiefer in die schmale Schlucht zurück, um mit seinen Gedanken allein zu sein.
    Ein seltsames Gefühl der Erleichterung regte sich in ihm. Natürlich würde er niemals zum Verräter werden, das nicht. Oder war es schon Verrat, sich nicht mehr so zu fürchten wie früher? War es Verrat, darüber nachzudenken, daß er jetzt eine Wahl hatte, daß es einen Ausweg gab, daß die Priester nicht mehr willkürlich ihre Strafen über ihn verhängen konnten?
    Es war Verrat.
    Bar Nergal duldete keine Abtrünnigen. Er würde Ayno den Göttern opfern und...
    Dayels Gedanken stockten.
    Er war ein Stück in den schmalen Canyon eingedrungen. Jetzt stand er vor der zerklüfteten Steilwand und blickte in die Felsen hinauf. Ein Spalt klaffte dort im Gestein, und als Dayel näher herantrat, sah er, daß es sich um einen Höhleneingang handelte.
    Rasch kletterte er über das Geröll aufwärts und spähte in das schwarze Loch.
    Der Spalt schnitt tief in den Felsen, sehr hoch und schmal. Neugierig machte Dayel ein paar Schritte, blieb stehen und ließ die Finger über den Stein gleiten. Angst nagte an ihm. In der Welt unter dem Mondstein waren die schrecklichen schwarzen Götter aus einem Tor im Felsen getreten, und die Erinnerung daran saß tief. War auch dies hier ein Tor im Felsen? Konnte es sein, daß er einen heiligen Ort gefunden hatte?
    Dayel machte kehrt.
    Hastig stolperte er zurück, verließ den Gang und lief durch die Dämmerung. Sekunden später konnte er das Schiff sehen, groß und düster in der ungewissen Beleuchtung. Dayel eilte darauf zu, und diesmal achtete er nicht darauf, daß er von neuem den unsichtbaren Schirm durchschritt, den er für Zauberei hielt.
    Er mußte Bar Nergal von seiner Entdeckung berichten.
    Er wußte nicht, ob es eine wichtige Entdeckung war; er hatte nie gelernt, über die Bedeutung der Dinge nachzudenken. Der Oberpriester würde es wissen. Nur kurz überlegte Dayel, daß er auch zu Charru von Mornag gehen konnte.
    Aber der bloße Gedanke an die Folgen genügte, um den jungen Akolythen erschauern zu lassen.
    *
    Im schwarzen Schlagschatten des Schiffs brannte ein kleines Feuer.
    Charru hatte die breite Klinge eines Messers in die Gut gestoßen und wartete darauf, daß sie sich erhitzte. Aus den Augenwinkeln sah er die hohe, hagere Gestalt Bar Nergals, der erregt auf Mircea Shar einsprach und dabei auf die
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