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So zärtlich war das Ruhrgebiet

So zärtlich war das Ruhrgebiet

Titel: So zärtlich war das Ruhrgebiet
Autoren: Laabs Kowalski
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Wir nahmen unsere Koffer entgegen und suchten
nach einem Taxi, das uns zu einem Hotel bringen sollte. Als Tante Paula
plötzlich rief: „Frieda ist weg!“
             Tatsächlich, Omma Zarth war plötzlich
verschwunden. Papa und Onkel Manni fanden sie in einer kleinen Bar gegenüber,
wo sie einen einarmigen Banditen mit Quarter-Münzen fütterte. Hartnäckig
weigerte sie sich, ins Hotel gefahren zu werden.
             „Fahrt ihr schon vor!“, sagte sie. „Ich und der
kleine Kerl hier haben grad Freundschaft geschlossen! – Hier, Manni, mach mir
mal die fünfzig Dollar klein, ich kann gerade nicht weg.“
             Onkel Manni und Vater mussten sie zum Taxi
tragen, wobei sie um sich trat und meinen Vater in den Unterarm biss. Sie wurde
erst wieder ruhig, als sie im Sands Regency Hotel & Casino vor einem
anderen einarmigen Banditen abgesetzt wurde. Wir anderen checkten kurz ein und
suchten das Casino auf. Onkel Walter und Tante Paula, mein Vater, Onkel Manni
und Onkel Catcher – sie alle hatten plötzlich ein seltsames Leuchten in den
Augen.
             „Now I know God is a gambler!”, sagte Onkel Walter
gerührt.
             Papa und Onkel Catcher hatten
Tränen der Freude im Blick, während Onkel Manni schon am Black-Jack-Tisch saß
und sich eine Karte aushändigen ließ. Auf mich machte das, was ich sah, einen
anderen Eindruck. Obwohl es den Menschen leichtfiel, eine Kuh von einem
Schmetterling zu unterscheiden, gab es andere Dinge, die auseinander zu halten
sie gründlich überforderte. Seit Jahrtausenden verwechselten sie nun schon ihre
Träume von eigener Größe und Bedeutung mit Geld. Und weil es so war, hatten sie
ihrer ruinösen Sehnsucht in der Wüste einen gewaltigen Tempel errichtet. Hier
frönten sie einer Religion, die ihnen Schmerz und Befriedigung gab. Obwohl die
Hitze und die geringe Luftfeuchtigkeit ihnen hätte sagen müssen, dass sie sich
in der Hölle befanden, wähnten sich die meisten von ihnen im Himmel. Es war
nicht leicht, ihnen Wahrheiten begreiflich zu machen. Vor der Wahrheit hatten
sie mehr Angst als vor Krebs oder der Steuerbehörde.
             Tante Paula drückte mir einen gefälschten
Ausweis mit einem Foto, das mir leidlich ähnlich sah, sowie hundert Dollar in
bar in die Hand und sagte: „Viel Spaß!“
    Scheiß was auf den anderen
Eindruck! Es war wunderbar am Leben zu sein. Es war wunderbar, in Reno zu sein.
Ich wechselte das Bargeld in Jetons und schaute mich um, bis ich einen
Roulette-Tisch entdeckte. Was die spanischen Konquistadoren vergeblich zu
entdecken versuchten – hier in der Wüste Nevadas im Washoe County war es doch
noch entstanden, das sagenhafte El Dorado, Urtraum ungeahnten Reichtums und
süßer Verheißung. Zu den ältesten Empfindungen der Menschheit zählte neben der
Schadenfreude die Gier, die in dieser archaischen Kleinstadt, die sich the
biggist little city in the world nannte, reichlich und unentwegt Nahrung
erhielt, bis vielleicht eines Tages ein Meteor der monumentgewordenen
Lasterhaftigkeit ihr Ende diktierte. Diese verstaubte Wüstenstadt war die Verneinung
Gottes, der grelle, lichtdurchtoste Beweis, dass niemand ihn brauchte, weil man
es vorzog, sich von Begierden und niederen Gelüsten leiten zu lassen. Eine
verkommene, eine böse, eine herrliche Stadt. Ich setzte zwanzig Dollar auf Rot
und gewann. Das Fieber packte mich.
    Noch einmal Rot … wieder
gewonnen!
    Plötzlich stand mein Vater neben
mir: „Die 17! Setz auf die 17! Ich spür’, dass sie kommt.“
    Ich setzte auf die 23, die 22
kam.
    „Die 17!“, sagte Papa. „Dieses
Mal kommt sie, ich spür’s!“
    Er setzte auf die 17, ich auf die
3, die 31 kam.
    „Macht es dir was aus, an einem
anderen Tisch zu spielen?“, fragte ich ihn.
    „Ich wollte dir nur helfen“,
entgegnete er, „aber wenn du meine Erfahrung nicht willst …“
    Papa ging zu einem anderen Tisch.
Ich setzte auf die 12. Die 17 kam.
     
    Zehn Stunden später beschlossen wir, kurz mal unsere
Zimmer anzusehen und etwas zu schlafen. Nur Omma Zarth weigerte sich, ihren
Platz vor dem Automaten zu verlassen.
             Als ich erwachte, entschied ich, etwas zu essen
und mich anschließend von einem Shuttle-Bus zum Lake Tahoe bringen zu lassen,
wo sich die Ponderosa-Ranch der Cartwrights befand. Am Roulette-Tisch stieß ich
auf Onkel Manni und meinen Vater und gab ihnen Bescheid.
             „Die 17!“, rief Papa seinem Bruder zu. „Spiel
die 17! Ich spür’ es,
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