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So wahr uns Gott helfe

So wahr uns Gott helfe

Titel: So wahr uns Gott helfe
Autoren: Michael Connelly
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konnte.
    »Kommt Ihnen dieser Ordner bekannt vor, Mr. Torrance?«
    »Nicht dass ich wüsste.«
    »Sie haben diesen Ordner nie in Mr. Woodsons Zelle gesehen?«
    »Bin nie in seiner Zelle gewesen.«
    »Sie haben sich also nicht heimlich dort Zutritt verschafft und diesen Beweisoffenlegungsordner durchgesehen, während Mr. Woodson im Aufenthaltsraum oder unter der Dusche oder vielleicht auch im Gericht war?«
    »Nein, hab ich nicht.«
    »Mein Mandant bewahrte viele Ermittlungsunterlagen zu seiner Strafsache in seiner Zelle auf. Diese enthielten einige der Einzelheiten, die Sie heute Morgen bezeugt haben. Sie finden das nicht verdächtig?«
    Torrance schüttelte den Kopf.
    »Nein. Ich weiß nur, dass er mit mir am Tisch saß und mir von seiner Tat erzählt hat. Er hat deswegen ein schlechtes Gewissen gehabt und mir sein Herz ausgeschüttet. Ist doch nicht meine Schuld, wenn sich jemand bei mir ausheulen will.«
    Ich nickte, als könnte ich verstehen, welch schwere Bürde es für Torrance darstellte, wenn andere sich ihm anvertrauten. Insbesondere wenn es sich dabei um einen Doppelmord handelte.
    »Natürlich nicht, Mr. Torrance. Aber könnten Sie jetzt den Geschworenen berichten, was genau Ihnen Mr. Woodson erzählt hat? Und bitte nicht in der Kurzfassung, die Sie Mr. Vincent aufgetischt haben, als er Sie in den Zeugenstand gerufen hat. Ich möchte im Detail hören, was Ihnen mein Mandant erzählt hat. Und in seinen Worten, bitte.«
    Torrance schwieg eine Weile, als müsse er erst in seinem Gedächtnis kramen und seine Gedanken sortieren.
    »Also, es war so«, begann er schließlich. »Wir saßen da, jeder für sich, und dann fing er plötzlich einfach an zu reden. Darüber, dass er ein schlechtes Gefühl hätte wegen dem, was er getan hat. Und ich hab ihn gefragt: Was hast du denn getan? Und er hat mir erzählt, wie er in dieser Nacht diese zwei Typen umgebracht hat und dass ihn das ziemlich belastet.«
    Die Wahrheit bevorzugt immer knappe Worte. Lügen dagegen tendieren zum Ausschweifen. Ich wollte Torrance zum Plaudern bringen. Etwas, das Vincent erfolgreich zu verhindern gewusst hatte. Knastspitzel haben eine Sache mit anderen professionellen Lügnern und Betrügern gemeinsam. Sie versuchen häufig, den Schwindel hinter irreführendem Geschwätz und witzigem Geplänkel zu verbergen. Sie verpacken ihre Lügen in Berge von Watte. Aber in diesem ganzen Flausch steckt oft der Schlüssel für die Aufdeckung der großen Lüge.
    Vincent erhob erneut Einspruch, mit der Begründung, der Zeuge habe bereits alle meine Fragen beantwortet und ich würde ihn nur einzuschüchtern versuchen.
    »Euer Ehren«, entgegnete ich, »dieser Zeuge legt meinem Mandanten ein Geständnis in den Mund. Denn nichts anderes ist hier nach Ansicht der Verteidigung der Fall. Das Gericht würde sich eines groben Versäumnisses schuldig machen, wenn es mir nicht gestattet, den Inhalt und Zusammenhang einer derart belastenden Aussage in vollem Umfang klarzustellen.«
    Noch bevor ich zu Ende gesprochen hatte, nickte Richter Companioni zustimmend und forderte mich auf, mit der Befragung des Zeugen fortzufahren. Ich wandte mich wieder an Torrance und setzte die Befragung mit deutlich hörbarer Ungeduld in der Stimme fort.
    »Mr. Torrance, nach wie vor schildern Sie uns den Sachverhalt nur in Kurzform. Sie behaupten, Mr. Woodson habe Ihnen die Morde gestanden. Dann erzählen Sie doch den Geschworenen, was er zu Ihnen gesagt hat. Was waren seine genauen Worte, als er Ihnen seine Tat gestand?«
    Torrance nickte, als würde ihm erst jetzt klar, was ich von ihm wollte.
    »Das Erste, was er zu mir gesagt hat, war: Mann, ich fühl mich echt Scheiße. Und darauf hab ich erwidert: Wegen was, Bruder? Und dann hat er mir erzählt, er müsse ständig an diese beiden Typen denken. Ich hatte keine Ahnung, von was er überhaupt redet, weil ich ja, wie gesagt, nichts über den Fall gehört hatte. Deshalb hab ich ihn gefragt: Welche zwei Typen? Und er hat gemeint: Die zwei Nigger, die ich im Reservoir versenkt hab. Ich wollte wissen, was er genau mit denen angestellt hat, worauf er mir beschrieben hat, wie er sie beide mit ’ner abgesägten Schrotflinte umgenietet und dann in Maschendraht eingewickelt hat. Er hat gesagt: Ich hab einen Riesenfehler gemacht, und ich hab ihn gefragt, wieso. Darauf hat er nur gemeint: Ich hätte ihnen mit einem Messer den Bauch aufschlitzen sollen, damit sie nicht wieder an die Oberfläche kommen. Das war alles, was er mir erzählt
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