Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
So wahr uns Gott helfe

So wahr uns Gott helfe

Titel: So wahr uns Gott helfe
Autoren: Michael Connelly
Vom Netzwerk:
Auswahl der Geschworenen darum gekämpft, so viele Schwarze und Braune wie möglich auf die Geschworenenbank zu bekommen. Und jetzt bot sich die Gelegenheit, auch die fünf weißen Geschworenen weichzuklopfen, die die Anklage an mir vorbeizuschleusen geschafft hatte. Ich wollte ihnen vor Augen führen, dass der Hauptzeuge der Anklage mitverantwortlich für die Bilder war, die sie im Mai auf ihren Fernsehgeräten gesehen hatten.
    »Ja, ich bin damals dabei gewesen, wie alle anderen auch«, antwortete Torrance. »Die Cops in L. A. nehmen sich einfach zu viel raus, wenn Sie mich fragen.«
    Ich nickte, als teilte ich diese Meinung.
    »Und Ihre Reaktion auf die Ungerechtigkeit der Urteile im Rodney-King-Fall war, loszuziehen und eine zweiundsechzigjährige Frau auszurauben und mit einem Metallabfalleimer bewusstlos zu schlagen? Trifft das zu, Sir?«
    Hilfesuchend blickte Torrance zuerst zum Ankläger und dann zu seinem eigenen Anwalt, der in der ersten Reihe des Zuschauerbereichs saß. Aber selbst für den Fall, dass die beiden eine entsprechende Antwort mit ihm einstudiert hatten, konnten sie ihm jetzt nicht helfen. Er war auf sich allein gestellt.
    »Nein, das habe ich nicht getan«, antwortete er schließlich.
    »Sie haben die Straftat, deren Sie beschuldigt werden, nicht begangen?«
    »Richtig.«
    »Wie sieht es mit Plünderungen aus? Haben Sie sich während der Unruhen etwas zuschulden kommen lassen?«
    Erst nach einer längeren Pause und einem weiteren Blick zu seinem Anwalt erwiderte Torrance. »Ich verweigere die Aussage.«
    Mit dieser Antwort hatte ich gerechnet. Und ich stellte Torrance nun eine Reihe weiterer Fragen, die alle so formuliert waren, dass er sich entweder selbst belasten oder von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen musste. Nachdem er sechsmal in den sauren Apfel gebissen hatte, wurde der Richter des Spiels überdrüssig und verwies mich auf den anstehenden Fall. Ich leistete widerstrebend Folge.
    »Also gut, genug über Sie geredet, Mr. Torrance. Befassen wir uns wieder mit Ihnen und Mr. Woodson. Waren Sie mit den Einzelheiten des hier verhandelten Doppelmords bereits vertraut, bevor Sie Mr. Woodson in der Haft kennenlernten?«
    »Nein, Sir.«
    »Tatsächlich? In den Medien wurde aber ausführlich über den Fall berichtet.«
    »Ich war im Gefängnis, Mann.«
    »Gibt es im Gefängnis kein Fernsehen und keine Zeitungen?«
    »Zeitungen lese ich keine, und der Fernseher in der Hochsicherheit ist kaputt, seit ich dort bin. Wir haben deswegen einen ziemlichen Aufstand gemacht, und sie haben gesagt, sie lassen ihn reparieren, aber getan haben sie einen Scheiß.«
    Der Richter ermahnte Torrance, auf seine Ausdrucksweise zu achten, und der Zeuge entschuldigte sich. Ich fuhr fort:
    »Den Gefängnisunterlagen zufolge kam Mr. Woodson am fünften September in den Hochsicherheitstrakt, und laut der Beweismitteloffenlegung der Staatsanwaltschaft sind Sie am zweiten Oktober an die Anklage herangetreten, um Mr. Woodsons angebliches Geständnis zu melden. Hört sich das für Sie richtig an?«
    »Ja, hört sich ziemlich richtig an.«
    »Für mich nicht, Mr. Torrance. Sie wollen den Geschworenen tatsächlich weismachen, dass ein Mann, der wegen Doppelmords angeklagt ist und mit der Todesstrafe rechnen muss, seine angebliche Tat jemandem gesteht, den er noch nicht einmal vier Wochen gekannt hat?«
    Torrance zuckte mit den Achseln, bevor er antwortete.
    »War aber so.«
    »Behaupten Sie. Welche Erleichterungen hat Ihnen die Anklage zugesichert, wenn Mr. Woodson wegen dieser Straftaten schuldig gesprochen wird?«
    »Keine Ahnung. Niemand hat mir was versprochen.«
    »Angesichts Ihrer Vorstrafen und aufgrund der Ihnen gegenwärtig zur Last gelegt Verbrechen droht Ihnen im Fall einer Verurteilung eine Haftstrafe von mehr als fünfzehn Jahren, richtig?«
    »Davon weiß ich nichts.«
    »Wirklich nicht?«
    »Nein, Sir. Darum kümmert sich mein Anwalt.«
    »Hat er Sie etwa nicht darauf aufmerksam gemacht, dass Sie, wenn Sie diesbezüglich nichts unternehmen, sehr lange ins Gefängnis wandern?«
    »Davon hat er mir nichts gesagt.«
    »Verstehe. Worum haben Sie den Ankläger als Gegenleistung für Ihre Aussage gebeten?«
    »Um nichts. Ich will nichts.«
    »Demnach sagen Sie hier aus, weil Sie es für Ihre Bürgerpflicht halten, ist das richtig?«
    Der Sarkasmus in meiner Stimme war unüberhörbar.
    »Ganz genau«, gab Torrance ungehalten zurück.
    Ich hielt den dicken Ordner hoch, so dass er ihn sehen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher