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So wahr uns Gott helfe

So wahr uns Gott helfe

Titel: So wahr uns Gott helfe
Autoren: Michael Connelly
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liegenden Ordner als Beweisstück eins der Verteidigung zu den Beweismitteln zu nehmen.«
    Vincent versuchte es mit einem Unbegründetheitseinspruch, aber Companioni gab ihm nicht statt.
    »Er wird zugelassen. Und wir werden die Geschworenen darüber befinden lassen, ob Mr. Torrance die Fotos und den Inhalt des Ordners gesehen hat oder nicht.«
    Ich hatte gerade einen Lauf und war fest entschlossen, den Sack endgültig zuzumachen.
    »Danke«, sagte ich. »Euer Ehren, jetzt dürfte für den Ankläger auch der richtige Zeitpunkt gekommen sein, seinen Zeugen auf die drohenden Strafen für Meineid hinzuweisen.«
    Dieser Schachzug war auf die Geschworenen gemünzt. Ich rechnete eigentlich damit, mit Torrance weitermachen und ihm mit der Klinge seiner eigenen Lüge den Rest geben zu müssen. Doch Vincent erhob sich und bat den Richter, die Verhandlung zu vertagen, damit er sich mit dem Vertreter der Gegenpartei beraten könne.
    Das verriet mir, dass ich Barnett Woodson gerade das Leben gerettet hatte.
    »Kein Einwand seitens der Verteidigung«, erklärte ich dem Richter.
DREI
    N achdem die Geschworenen den Saal verlassen hatten, kehrte ich zum Tisch der Verteidigung zurück, wo gerade ein Deputy auf meinen Mandanten zukam, um ihm Handschellen anzulegen und ihn in seine Zelle im Gerichtsgebäude zurückzubringen.
    »Dieser Typ ist ein verlogener Haufen Scheiße«, zischte Woodson. »Ich hab die beiden Schwarzen nicht umgebracht. Es waren Weiße.«
    Ich hoffte, dass der Deputy diese Bemerkung nicht gehört hatte.
    »Halten Sie bloß die Klappe«, zischte ich. »Und wenn Sie diesen verlogenen Haufen Scheiße im Knast wiedersehen, sollten Sie ihm die Hand schütteln. Wegen seiner Lügen wird der Ankläger darauf verzichten, die Todesstrafe zu beantragen, und sich auf einen Deal einlassen. Ich gebe Ihnen Bescheid, sobald ich weiß, wie sein Angebot aussieht.«
    Woodson schüttelte theatralisch den Kopf.
    »Schon möglich, aber vielleicht will ich ja gar keinen Deal mehr. Sie haben einen dreckigen Lügner in den Zeugenstand geholt. Das ganze Verfahren sollte eingestellt werden. Wir können diesen beschissenen Prozess gewinnen, Haller. Lassen Sie sich auf keinen Deal ein.«
    Ich musterte Woodson. Ich hatte ihm gerade das Leben gerettet, und schon wollte er mehr. Weil der Staat nicht fair gespielt hatte, fühlte er sich plötzlich im Recht. Dass er eine gewisse Verantwortung für die beiden Kids trug, die er umgebracht hatte, schien er dabei völlig zu vergessen.
    »Werden Sie jetzt nicht übermütig, Barnett«, warnte ich ihn. »Sobald ich Näheres weiß, komme ich zu Ihnen.«
    Der Deputy führte ihn durch die Stahltür, die zu den an den Gerichtssaal angrenzenden Zellen führte. Ich blickte ihm hinterher. Ich hatte bezüglich Barnett Woodsons nie irgendwelche Illusionen gehegt. Obwohl ich ihn niemals direkt gefragt hatte, wusste ich, dass er die beiden Westside-Studenten umgebracht hatte. Aber das sollte nicht meine Sorge sein. Meine Aufgabe war es, die Beweisführung des Staates gegen ihn auf ihre Stichhaltigkeit hin zu überprüfen, und das mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln. Genau das hatte ich getan, und dabei war mir die Klinge in die Hand gefallen. Jetzt würde ich sie dazu benutzen, seine Situation deutlich zu verbessern. Aber seinen Wunschtraum, die Verantwortung für die beiden Leichen, die im Wasser schwarz geworden waren, einfach abzuwälzen, konnte Woodson vergessen. Vielleicht hatte er das noch nicht kapiert, aber sein unterbezahlter und unterschätztet Pflichtverteidiger war in diesem Punkt ziemlich unnachgiebig.
    Nachdem sich der Saal geleert hatte, blieben nur noch Vincent und ich zurück. Wir musterten uns von unseren Tischen aus.
    »Und?«, begann ich.
    Vincent schüttelte den Kopf.
    »Zuallererst«, sagte er, »möchte ich eines klarstellen. Ich habe wirklich nicht gewusst, dass Torrance gelogen hat.«
    »Natürlich nicht.«
    »Warum sollte ich meinen eigenen Fall derart sabotieren?«
    Ich winkte ab.
    »Machen Sie sich da mal keine Gedanken, Jerry. Ich habe Ihnen schon bei der Vorverhandlung gesagt, dass sich dieser Kerl die Beweisoffenlegung aus der Zelle meines Mandanten unter den Nagel gerissen hat. Das lag doch auf der Hand. Mein Mandant hätte Ihrem Zeugen, einem vollkommen Fremden, niemals etwas anvertraut. Und jeder wusste das, außer Ihnen.«
    Vincent schüttelte energisch den Kopf.
    »Ich wusste es wirklich nicht, Haller. Er ist auf uns zugekommen. Einer unserer besten Ermittler hat ihm
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