Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
So still die Toten

So still die Toten

Titel: So still die Toten
Autoren: Mary Burton
Vom Netzwerk:
ausgelassenes, glanzvolles Fest gewesen, und sie hatte sich gut amüsiert. Der Champagner war in Strömen geflossen – am Ende hatte sie gar nicht mehr mitgezählt, wie oft der Ober ihr Glas nachgefüllt hatte. Ihr Ex war natürlich nicht gekommen. Auf öffentlichen Veranstaltungen traf er sich nie mit ihr. Aber ein anderer Exfreund von ihr hatte sie angegraben, und weil sie sich so gut gefühlt hatte, hatte sie zurückgeflirtet. Es war lustig gewesen, berauschend.
    Wie nur war sie nach einer solch wundervollen Party in diese Horrorhöhle gelangt?
    Sie rief sich den Ablauf des Abends ins Gedächtnis. Champagner. Musik. Gesang. Eine Kleinigkeit zu essen. Irgendein Typ, ein Kumpel ihres Exfreunds, hatte ihr Kokain angeboten, aber sie hatte abgelehnt, weil sie wusste, dass sie dann die ganze Nacht aufgedreht sein würde. Sie hätte beim Fototermin am nächsten Morgen zu verquollen ausgesehen.
    Hatten der Schauspieler und sein Freund ihr doch etwas untergejubelt?
    Die Gedanken in ihrem Kopf verschwammen. Es gelang ihr nicht, die Erinnerungsfetzen beiseitezuschieben, um an die entscheidenden Details heranzukommen. Sie hatte nur die Party und danach dieses dunkle, feuchte Loch, in dem es nach Tod roch. Der Teil dazwischen fehlte.
    Es spielte keine Rolle, wie sie hierhergelangt war. Wichtig war, dass sie wieder herauskam. Und wenn sie überhaupt in irgendetwas gut war, dann in Schadensbegrenzung.
    Sosehr sie ihre Augen auch anstrengte, sie konnte nichts um sich herum erkennen. Es war still wie in einem Grab. Und dann hörte sie plötzlich, wie ein Wasserhahn aufgedreht wurde und Wasser plätscherte.
    Sie drehte den Kopf. »Ist da jemand?«
    Das Wasser gurgelte und blubberte, doch niemand antwortete.
    Während die Angst ihr fast die Luft abschnürte, schob sie die Beine über den Rand des Metalltisches. Ihr war schwindlig, der Schmerz war kaum auszuhalten, und wieder revoltierte ihr Magen. Sie hielt inne und wartete, bis ihr Körper sich beruhigt hatte.
    Vorsichtig setzte sie die Füße auf den kalten, nassen Steinboden. Unwillkürlich verkrampften sich ihre Zehen. Die schleimige Fläche, die an den Grund eines Sees erinnerte, ekelte sie.
    Ihre Beine zitterten heftig, als sie aufstand und ihr Gewicht auf die Füße verlagerte. Jeder einzelne Muskel tat ihr weh. Ihr Kleid fühlte sich feucht an, aber sie hatte keine Ahnung, warum.
    Das beruhigende Tröpfeln des Wassers blieb weiter ihre einzige Orientierungshilfe. Es klang, als wäre es irgendwo rechts von ihr. Zumindest hatte sie jetzt eine Richtung.
    Wenn sie das Wasser gefunden hatte, würde sie überlegen, was als Nächstes zu tun war.
    Sie tat einen zaghaften Schritt vom Tisch weg. Ihr Körper war schweißnass. Das Kleid klebte ihr an den Brüsten und schmiegte sich so eng an ihre Brustwarzen, dass sie sich nackt fühlte. Doch so gern sie ihre Blöße mit den Händen bedeckt hätte, sie brauchte ihre ausgestreckten Arme, um das Gleichgewicht zu halten.
    Mit jedem Schritt wurde der Gestank schlimmer und der Drang, sich abzuwenden, stärker. Trotzdem bewegte sie sich langsam in Richtung des Wassers. Ohne Vorwarnung stieß ihr Knie gegen etwas, das eine riesige Metallwanne sein musste. Ein heftiger Schmerz durchzuckte ihr Bein. Sie keuchte auf, und beinahe hätte der üble Geruch sie überwältigt.
    Instinktiv drehte sie sich von der Wanne weg. »Mist.«
    Sie hatte nicht die Kraft, zum Tisch zurückzugehen, den inzwischen das undurchdringliche Dunkel verschluckt hatte.
    Tränen stiegen ihr in die Augen und liefen ihr über die Wangen. Es wäre so leicht gewesen, aufzugeben. Doch sie war noch nie jemand gewesen, der schnell aufgab.
    Mit dem gebieterischsten Ton, zu dem sie fähig war, sagte sie: »Ich will wissen, ob jemand hier ist.«
    Die Schatten um sie herum schwiegen hartnäckig, ruhig und unbeeindruckt von der Strenge in ihrer Stimme. Die einzige Antwort auf ihre Worte war das stete, leise Tröpfeln in die Wanne.
    »Ich dürfte gar nicht hier sein«, sagte sie. »Das ist ein schreckliches Missverständnis. Bei der Arbeit warten sie auf mich. Wenn ich nicht komme, rufen sie die Polizei an.«
    Sie fuhr sich mit zittrigen Fingern durch die zerzausten Locken und straffte ihre Schultern. Ihre Knochen knackten, als wäre sie gerade neunzig geworden und nicht einundzwanzig. Was war ihr nur zugestoßen? »Ich verlange zu erfahren, wo ich bin.«
    Diesmal regte sich etwas in einer Ecke. »Du verlangst? An deiner Stelle würde ich nichts verlangen. Ich würde betteln.«
    Beim
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher