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So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein!: Tagebuch einer Krebserkrankung (German Edition)

So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein!: Tagebuch einer Krebserkrankung (German Edition)

Titel: So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein!: Tagebuch einer Krebserkrankung (German Edition)
Autoren: Christoph Schlingensief
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vielleicht spürt er etwas, aber was soll er machen? Meine Großeltern wären diejenigen, die man jetzt ansprechen müsste, die wären jetzt schon 25 oder 30. Wenn die tatsächlich noch da wären … Aber natürlich befürchte ich, dass man nach dem Tod doch nicht da ist, dass man einfach zerrupft wird.
    Trotzdem sind diese Gedanken schön. Zum Beispiel sich zu überlegen, wo man gerne geboren würde, wenn man wirklich wiederkommen könnte. Aino meinte, sie würde gerne in Japan zur Welt kommen. Ich habe eher an Afrika oder Indien gedacht. In den USA würden wir nicht aufwachsen wollen, da waren wir uns beide einig. Ich fände es jedenfalls schön, in ein Gesellschaftssystem hineingeboren zu werden, das ich überhaupt nicht kenne. Indien, Afghanistan kenne ich nicht, weiß ich nicht, was da los ist, vielleicht ist das eine Ecke in meinem Dasein, die ich noch kennenlernen müsste.

    Ich habe keinen Bock auf Himmel.
     
    Das Schlimmste ist diese Angst vor dem Unbekannten. Die macht mich fertig.Als meinVater starb, hatte er dieses Lächeln auf den Lippen, sah wirklich glücklich und erlöst aus.Aber mich hat dieses Lächeln schon damals nicht richtig getröstet. Das war für mich ein Lächeln irgendeiner Geheimgesellschaft, die mich ausschließt. Ich bleibe zurück, und der lächelt schon mit anderen herum. Und demnächst muss ich dann selbst zu denen los. Dann rattere ich alleine wo auch immer hin. Ich habe aber keine Lust, die Toten und was weiß ich wen zu treffen, ich habe keine Lust, in so einen Geheimklub abzuhauen, wo man milde lächelnd auf die Erde guckt. Ich habe keinen Bock auf Himmel, ich habe keinen Bock auf Harfe spielen und singen und irgendwo auf einer Wolke herumgammeln.
    Einen Draht zu Gott habe ich trotzdem, das ist klar. Aber ich habe nicht dieses Vertrauen zu sagen: Gut, ich komme, nehmt mich auf zu euch. Vielleicht kommt das ja noch. Im Moment bin ich einfach nur traurig und habe Angst. Ich liebe das Leben so sehr, hätte so gerne mit Aino noch Jahre, Jahrzehnte verbracht. Stattdessen muss ich jetzt diese unglaubliche Angst vor der Einsamkeit aushalten, vor diesem Nichts. Selbst wenn dieses Nichts noch so schön und hell sein sollte. Die größte Hölle, die ich mir vorstellen kann, ist, nicht mehr denken und arbeiten zu dürfen. Dann hänge ich vielleicht irgendwo zwischen den Sternen rum und kann nichts tun, würde so gern helfen oder etwas machen, aber kann nichts machen. Ich habe leider ganz große Angst vor diesem Himmel. Ich will hierbleiben. Ich will noch etwas hierbleiben!
    Ach, es ist einfach eine echte Qual. Die Angst vor der Einsamkeit, die kommen wird, macht mich fertig. Und die Traurigkeit, dass ich mein Schätzchen da nicht mehr habe und sie mich nicht mehr hat.

    Manchmal stelle ich mir vor, dass man da hochkommt und in einem riesigen Hightech-Laboratorium landet.Alle forschen und arbeiten wie die Wahnsinnigen, haben aber nur ein Ziel, nämlich noch das 300 000ste Universum hintendran zu kleben, ohne dass alles in sich zusammenstürzt. Vor lauter Forschung haben sie im Laufe der Zeit die Erde aus den Augen verloren, haben völlig vergessen, was sie da an Sensation schon geschaffen haben.
    Vielleicht muss man deshalb da oben mal Klärung schaffen. Man darf nicht nur als Leidensbeauftragter in irgendwelchen endlosen Gängen rumlaufen und die Leute anschreien: Ihr müsst mal helfen, das ist alles Scheiße da unten! Das wird die ja nicht interessieren, das führt ja nur dazu, dass die sich sagen: Ja gut, Fehlkonstruktion, wir bauen was Neues.
    Nein, man muss denen klarmachen, was für Qualitäten diese Erde hat, was für ein Wunder dieses Leben hier ist. Dass sie aufhören können zu forschen, dass sie die Erde als Vorbild nehmen, uns aber in Ruhe lassen sollen. Dass wir selbst für Lösungen sorgen könnten, wenn man uns die Freiheit lassen würde. Man müsste sie davon abbringen, diese Freiheit unter Strafe zu stellen und das Ganze dann auch noch an einem Apfel vorzuführen. Noch blöder kann es ja nicht laufen.

    Gigantische Kraftwerke von Leiden fliegen rum.

    Aber wahrscheinlich ist das auch keine Möglichkeit. Wahrscheinlich reicht diese Korrektur nicht. Es gibt zu viele Fehlkonstruktionen, an denen zu tausend Millionen Prozent niemand auf der Erde schuld ist und die auch niemand beheben kann: Es gibt Genschäden, es gibt Unfälle, es gibt Naturkatastrophen, es gibt alles Mögliche. Das kann man doch nicht akzeptieren.Was sollen all die Leute in Afrika sagen? Und all die Eltern,
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