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So frei wie der Himmel

So frei wie der Himmel

Titel: So frei wie der Himmel
Autoren: Linda Laell Miller
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in die Mitte des Tisches und zeigte seine Karten. Herzkönig, Pikdame. Er hatte auf die Dame in seiner Hand und die auf dem Tisch gebaut.
    Nurleen seufzte beinahe unmerklich und schüttelte den Kopf. Jesse hatte fast ein schlechtes Gewissen, als er zwei Siebener auf den Tisch warf. Vier Karten mit dem gleichen Wert.
    "Du und dein verdammtes Scheißglück", fluchte Wade.
    Stumm sammelte Nurleen die Karten ein und mischte für ein weiteres Spiel. "Bist du noch dabei, Wade? Don?", fragte sie dann.
    Jesse warf einen Seitenblick auf seinen Cousin Keegan, der mit verschränkten Armen an der Jukebox lehnte. In seiner maßgeschneiderten Hose, der Weste und dem perfekt gebügelten Hemd sah er wie ein Anwalt aus, vielleicht sogar wie ein Banker.
    Weil er wusste, dass das, was er jetzt sagte, Keegan total nerven würde, antwortete er betont langsam. "Ich bin dabei."
    "Ich muss mit dir sprechen", sagte Keegan, der zugleich distanziert und unerbittlich wirkte. "Vielleicht könntest du eine Runde aussetzen."
    Nach diesem Vorschlag sahen Wade und Don so erwartungsvoll aus, dass Jesse mit Nurleen einen Blick wechselte und dann seinen Stuhl nach hinten schob. Er durchquerte den Raum, dessen Boden Erdnussschalen und Sägespäne bedeckten.
    "Was ist so wichtig, dass es nicht warten kann?", fragte er. Seine tiefe Stimme mischte sich unter Kenny Rogers' berühmtes Vibrato aus der Jukebox.
    Keegan war genauso groß wie Jesse. Aber damit hörte die Ähnlichkeit auch schon auf. Im Gegensatz zu Jesses dunkelblondem Strubbelkopf hatte Keegan ordentlich geschnittenes rotbraunes Haar. Außerdem besaß er die marineblauen Augen der McKettricks, während Jesses himmelblau wie die von Jebs Ahnen waren.
    "Wir hatten eine Konferenz, schon vergessen?", zischte Keegan.
    Kenny Rogers beendete sein Lied. Die Jukebox surrte, und Patsy Cline begann mit "Crazy".
    "Ich dachte nicht, dass es dir wichtig ist, Keeg", erwiderte Jesse schleppend.
    Keegans Kiefer verspannte sich, als er die Backenzähne aufeinanderpresste. Jesse vermutete, dass sie inzwischen nur noch Stummel waren. Doch diese Ansicht behielt er lieber für sich.
    "Verdammt noch mal", brummte Keegan. "Du hast denselben Anteil an der Firma wie ich. Wie wäre es, wenn du mal etwas Pflichtgefühl an den Tag legen würdest?" Keegan arbeitete zwölf Stunden pro Tag für McKettrickCo , studierte Tabellen und strich ein siebenstelliges Gehalt ein.
    Jesse hingegen ritt Rodeos, jagte Frauen hinterher, spielte Poker und löste seine Dividendenschecks ein. Er betrachtete sich als Glückspilz, und gelegentlich tat Keegan ihm leid. jetzt rückte er die geschmackvolle Nadelstreifenkrawatte seines Cousins gerade, die vermutlich mehr als die neue Waschmaschine in Dons Waschsalon gekostet hatte.
    "Du findest, Pokern ist keine Arbeit?", fragte er und wartete insgeheim darauf, dass Dampf aus Keegans Ohren quoll. Beide waren zusammen auf Triple M aufgewachsen, hatten im Sommer gezeltet und Fische gefangen und waren im Winter Ski gefahren. Zusammen mit Rance, einem dritten Cousin, der das unheilige Trio vervollständigte. Sie besuchten alle die Northern Arizona University in Flagstaff, wo Keegan Betriebswirtschaft und Rance Hochfinanz studierte, während Jesse nur gelegentlich zwischen Rodeowettbewerben und Kartenspielen zu Vorlesungen erschien. Trotz ihrer Gegensätzlichkeit hatten sie sich gut verstanden - bis Rance und Keegan heirateten. Danach hatte sich alles verändert.
    Beide waren seriös geworden. Momentan reiste Rance durch die Welt, um für McKettrickCo kleinere Firmen aufzukaufen.
    "Klugscheißer", sagte Keegan und versuchte, nicht zu grinsen.
    "Kann ich dich zu einem Bier einladen?", fragte Jesse, der einen Moment hoffte, dass Keegan vielleicht doch noch der Alte wäre.
    Sein Cousin sah auf seine Rolex. "An diesem Wochenende ist Devon bei mir", sagte er. "Ich muss sie um halb sieben abholen."
    Devon war Keegans neunjährige Tochter. Seit er und Shelley sich vor einem Jahr hatten scheiden lassen, pendelte das Kind zwischen der schicken Eigentumswohnung von Shelleys Freund und dem Farmhaus auf Triple M hin und her.
    Jesse zögerte, dann legte er eine Hand auf Keegans Schulter. "Ist schon gut", sagte er sanft. "Ein anderes Mal."
    Keegan seufzte. "Ein anderes Mal", stimmte er resigniert zu. Er ging zur Tür, drehte sich aber noch einmal um. "Und Jesse?"
    "Was ist?"
    Das altbekannte Grinsen breitete sich auf Keegans Gesicht aus. "Werd endlich erwachsen, ja?"
    "Das schreibe ich mir in meinen Kalender",
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