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So finster, so kalt

So finster, so kalt

Titel: So finster, so kalt
Autoren: Diana Menschig
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befand.
    Sie wandte sich ab, sah sich nach einer Waffe um und fand keine. Egal. Hals über Kopf raste sie durch den Raum. Sie musste die Tür erreichen, bevor er das Haus betrat. Wenn er das Ding über die Türschwelle brachte …
    Die Haustür schlug zu. Sie war zu langsam gewesen.
    Es war vorbei.
     
    Sie standen einander im Flur gegenüber.
    »Merle! Aber was …? Ich …« Jakob starrte auf das Skelett in seinen Armen.
    »Du hast es ins Haus geholt! Bist du wahnsinnig?« Merles Stimme überschlug sich. Sie stürmte auf Jakob zu.
    Er trat einen Schritt zurück, aber die Haustür hinter ihm war verschlossen. »Das bist nicht du!«, stammelte er überflüssigerweise.
    »Lass das fallen! Weg hier!« Sie drückte die Stubentür auf und riss Jakob an der Schulter mit sich. Knochen polterten, und Staub wirbelte auf, als Greta zu Boden fiel. Einer der Oberschenkelknochen richtete sich wie von allein auf und stach in Merles Richtung. Sie trat darauf, und der Knochen brach mit einem morschen Krachen entzwei. Ein unirdisches Heulen erhob sich.
    Merle warf die Tür zu und verriegelte sie mit dem kleinen Haken. Unmittelbar darauf krachte von außen etwas gegen das Türblatt, so dass es erzitterte. So ein Schloss würde Greta kaum aufhalten.
    Hektisch schaute Merle sich um. »Schnell, hilf mir!« Sie lief zu der Aussteuertruhe und stemmte sich dagegen. Aber erst, als Jakob ihr zu Hilfe kam, bewegte sich das schwere Möbelstück zentimeterweise, und sie schoben es vor die Stubentür. Von außen drang wütendes Kratzen und Schaben zu ihnen herein, doch die Tür blieb verschlossen. Nach einer kleinen Weile ließen die Geräusche nach, und es wurde still.
    »Meinst du, das reicht?«, fragte Merle unsicher.
    Jakob zuckte mit den Schultern und klopfe sich den Staub von seiner Schlafanzugjacke, bevor er sie auszog und angeekelt fallen ließ. »Erst einmal ja. Andererseits ist es jetzt im Haus. Es wird einen Weg zu dir finden.«
    Als wurde ihm mit diesen Worten erst bewusst, was er gerade getan hatte, ließ er sich auf die Holzbank vor dem Esstisch sinken und vergrub das Gesicht in beiden Händen. Merle hörte ihn leise fluchen und war froh darüber. Die Wut schien ihm Energie zu verleihen. Sie setzte sich neben ihn und legte ihm die Hand in den Nacken. »Du hast gedacht, dass ich dort draußen auf der Wiese liege, nicht wahr?«
    Er nickte stumm, und sie lehnte ihren Kopf an seinen Oberarm.
    »Ich habe einen Knochenhaufen gesehen. Wie ein zusammengefallenes Skelett. Wieso wählt Greta jetzt plötzlich diese Gestalt?«
    »Was weiß ich!«, fuhr Jakob auf. »Ich bin kein Experte in Sachen Gestaltwahl von Gestaltwandlern, oder was immer Greta nun ist!«
    Merle grinste müde. »Wer, wenn nicht du?«
    »Ach, lass mich in Ruhe. Keine Ahnung. Das Ding ist nicht dumm. Es wird sich denken können, dass ich weder auf ein kleines Mädchen noch auf ein Reh reinfalle.«
    Er begann, sich wieder und wieder über die Arme zu reiben, als könne er so die Berührung mit dem Wesen ungeschehen machen. »Wenn ich darüber nachdenke, dass ich das Ding gehalten habe!« Er schüttelte sich vor Ekel.
    Merle wurde von einer huschenden Bewegung abgelenkt. Luzi hatte sich während des Tumultes irgendwo in der Stube verkrochen. Jetzt war sie hervorgekommen und sprang auf die Truhe vor der Tür. Dort begann sie, wie ein ruheloser Miniaturtiger immer hin und her zu wandern. Ihr Schwanz peitschte bei jedem Schritt unruhig. Es gab Merle etwas Sicherheit. Am Verhalten der Katze konnte sie erkennen, wenn Greta einen neuen Versuch wagte, hineinzukommen. Für einen ruhigen Moment saßen sie und Jakob einfach nur nebeneinander. Immerhin war ihm nichts passiert. Noch nicht.
    Völlig unvermittelt schlug er wütend mit der Faust auf den Tisch. »Ich hätte wissen müssen, dass sie ein Blendwerk benutzt, um ins Haus zu kommen.«
    Ein dumpfes Rumpeln an der Tür unterbrach ihn. Luzi hatte sich hingesetzt und sah jetzt aus wie eine altägyptische Statue. Sie wandte den Kopf nicht von der Tür ab.
    Plötzlich sprang sie von der Truhe und legte sich flach auf den Boden auf die Lauer. Dabei grollte sie dumpf.
    »Jakob, was machen wir, wenn es reinkommt?«
    »Wenn ich das wüsste!«
    Merle musste wider Willen lachen. »Na, du bist mir ein schöner Prinz. Wäre es jetzt nicht deine Aufgabe, das Ungeheuer zu besiegen?«
    Er zog eine finstere Grimasse. »Ich weiß nicht, wo du in solchen Situationen deinen Humor hernimmst. Mir hängt ehrlich gesagt der Arsch auf Grundeis.«
    Merle
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