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Snow Angel

Snow Angel

Titel: Snow Angel
Autoren: Izabelle Jardin
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derart kräftezehrenden Beruf ausüben zu wollen. 
    Das Bild des kleinen Kerls auf seinen wackeligen Knickbeinchen, als er den ersten Schluck Milch aus dem zum Bersten gefüllten Euter seiner Mutter nahm, und den Blick der Kuh wird sie nie vergessen. Manchmal fällt es ihr schwer, Simon mitten in der Nacht, wenn ein Notruf eingeht, aus dem warmen Bett entlassen zu müssen. Manchmal hat sie auch schon todmüde am Frühstückstisch gesessen hat, weil sie ihn begleiten wollte. Dennoch ist sie inzwischen sicher geworden, dass es genau das Leben ist, das sie mit ihm teilen will.
    Mit dem zufriedenen Empfinden, Ordnung in ihre Gefühlswelt gebracht zu haben, öffnet sie die Augen und bemerkt seinen forschenden Seitenblick. 
    „Fertig gedacht?“, fragt er schmunzelnd. 
    „Siehst ja, es steigen keine Logikwölkchen mehr über meinem Kopf auf.“ 
    „Gut! Vergeistigt warst du jetzt lange genug. Ich hätte dich gerne mal wieder für ein paar Tage nur gefühlig. Lässt sich das machen?“, fragt er und streichelt ihr mit dem Handrücken über die Wange. 
    Sie schmiegt sich an und er lässt seine Hand da, bis er wieder schalten muss. 
    Nina hat jetzt die Ruhe, sich auf die Schönheit der Frühlingslandschaft zu konzentrieren, die am Fenster vorbeizieht. 
    Der Winter, der so spät eingesetzt hatte, wollte bis vor drei Wochen nicht richtig weichen. Nun endlich blühen die Obstbäume im Tal, die Luft ist warm und auch nachts gibt es keine Fröste mehr. Die Schneeschmelze hat auch die letzten weißen Reste aus den Bergen geputzt. 
    Mit aller Macht versucht die Natur nachzuholen, was sie in dem eisigen Frühjahr versäumen musste. Die Wiesen sind saftig grün und stehen voller gelber Butterblumen. Das Vieh ist ausgetrieben worden und Nina hat Spaß daran, den Kälbern zuzusehen, wie sie zwischen ihren braun gefleckten Müttern durch das frische Gras toben. 
    Ben legt ihr von hinten seine Schnauze auf die Schulter. 
    „Sind gleich da!“, sagt Nina.
    Es ist das erste Mal seit dem furchtbaren Sonntag im Winter, dass sie sich auf den Weg zur Hütte machen. Einerseits freut sich Nina auf die freien Tage im Wald, andererseits hat sie ein mulmiges Gefühl. Alles hat dort begonnen, und dennoch weiß sie noch zu gut, mit welchen Empfindungen sie ihn nach der letzten unglücklichen Nacht verlassen wollte. Nina hat etwas zu erledigen in der Hütte. Sie muss den Geist, der dort noch immer gegenwärtig ist, endgültig aus ihren letzten Ängsten jagen. Und sie will den schrecklichen Gefühlen dieser Nacht neue, glückliche Erlebnisse gegenüberstellen. Sie weiß, es wird eine harte Prüfung für sie beide sein. Aber sie sind sich einig gewesen, dass sie bereit sind.
     
    Dunkel empfängt sie der Wald, als Simon in den schmalen Weg zur Hütte einbiegt. 
    Sobald er das Haus aufschließt, kriecht Unbehagen über ihren Nacken. Simon dreht sich auf der Schwelle zu ihr um, nimmt sie fest in die Arme und flüstert leise: „Das schaffen wir auch noch, Schnee-Engel!“ 
    Die Zuversicht, die er ausstrahlt, gepaart mit dem warmen Gefühl, ihn so nahe bei sich zu spüren, gibt ihr Mut. Simon reißt erst mal alle Fenster auf, um die laue Luft hereinzulassen. Es ist alles ein bisschen muffig und klamm geworden. 
    „Ich werde den Kamin anfeuern. Dann geht die verdammte Winterkälte schneller raus“, erklärt er und bringt schnell das Feuer zum Prasseln, während Nina die Lebensmittel in den Kühlschrank räumt. 
    „Gute Idee! Lass das Bettzeug noch im Auto. Sonst wird es nur feucht hier drin und ich habe eigentlich keine Lust auf kalte Umschläge in der Nacht.“ 
    „Wozu hättest du denn Lust in der Nacht?“ 
    „Nicht nur in der Nacht!“, sagt sie entschlossen. „Ich muss Geister vertreiben. Und wenn du nichts dagegen hast, würde ich gern sofort damit anfangen.“ Sie deutet auf den großen alten Schrank. 
    „Warte mal!“ 
    Nina ist erstaunt, dass er sich auf dem Absatz umdreht und zum Auto zurückgeht. Einen Moment später ist er mit einer Rolle blauer Müllsäcke zurück, reißt den ersten ab und reicht ihn ihr. 
    „Hier! Ziemlich reißfest und laut Banderolenaufdruck absolut geistersicher“, scherzt er, „lass uns das zusammen machen. Halt du auf, ich packe ein.“ 
    Nina ist erleichtert. Und wie! Sie hatte gefürchtet, er würde es vielleicht doch nicht übers Herz bringen, Lauras Sachen aus ihrem gemeinsamen Leben zu verbannen. Aber er ist offenbar fest entschlossen. Die Art, wie er die Sache praktisch und ohne die
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