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Snow Angel

Snow Angel

Titel: Snow Angel
Autoren: Izabelle Jardin
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Kennzeichen an. Ein überaus freundlicher grauhaariger Mann, den sie auf um die sechzig schätzte, stieg aus und versuchte radebrechend, in einer witzigen Mischung aus Schwedisch, einigen Brocken Deutsch und Englisch, ihr Problem zu erörtern. Nach einigem Hin und Her wurden sie sich einig, dass er sie ein Stückchen mitnehmen würde. Er hatte sowieso denselben Weg. So viel konnte sie immerhin dem Kauderwelsch entnehmen. 
    Die halbe Stunde Fahrt war kurzweilig, und das Geplauder im Sprachgewirr ergab zumindest, dass er auf dem Weg zu seinem Urlaubsort in den Bergen war. Fröhlich verabschiedete sie sich von ihm, als er sie auf dem Waldparkplatz absetzte. Er winkte ihr noch eine Weile aus dem geöffneten Fenster zu, bis er hinter der nächste Kurve verschwunden war.
     
    Sie warf einen Blick zum Himmel. Dunkel begannen sich von Westen her gewaltige Wolken aufzutürmen. Die Luft war zum Schneiden und das Atmen fiel immer schwerer, je steiler der Anstieg auf dem Waldweg wurde. Schweiß lief ihr in die Augen. Ein paar Mal blieb sie kurz stehen, um den Puls zu beruhigen und einen Schluck aus ihrer Wasserflasche zu nehmen. 
    Noch eine Steigung, eine scharfe Kurve, dann ging es wieder ein Stückchen bergab, hinunter zum See. Sie liebte den Anblick des kleinen verwunschenen Gewässers in seinen Sommerfarben. Grünblau war das Wasser. Nur dort, wo die Schatten der dunklen Wolken vom aufkommenden Sturm über die gekräuselte Oberfläche gejagt wurden, wirkte er jetzt fast schwarz und unergründlich. Das Bild ließ sie einen Moment still stehen bleiben. Sie atmete tief durch und merkte, wie gut ihr der Moment tat, um die letzten Wochen vergessen zu machen und langsam zu sich selbst zu kommen.
    Von Weitem hörte sie erstes Donnergrollen. Sie würde sich beeilen müssen, sofern sie nicht pitschnass bei ihm ankommen wollte. Wenn sie dem Waldweg folgte, hätte sie noch etwa eine Viertelstunde bergauf zu laufen gehabt. Aber sie kannte eine kleine Abkürzung, die ein paar Minuten sparen würde, weil sie sich damit den Schlenker an der Schlucht vorbei schenken konnte. Schnell fand sie den kleinen Wildpfad, den sie mit ihm schon oft gegangen war. Der Waldboden war durch die häufigen Regenfälle der letzten Tage so aufgeweicht, dass vom Weiß ihrer Turnschuhe schon nach den ersten Metern nur noch wenig zu sehen war. Obwohl sie mit sich schimpfte, vielleicht doch die falsche Entscheidung getroffen zu haben, kam sie gut voran. 
    Nicht schnell genug aber, um dem Gewitter noch trocken zu entkommen, das in rasender Eile heranzog. Der erste Wolkenbruch erwischte sie mit voller Kraft. Blitze zuckten in kurzen Abständen und die dichten Tannen bogen sich bedrohlich im Sturm. Ein junger Rehbock kreuzte ihren Weg, blieb kurz stehen, sah sie unverwandt an, um sich dann in großen Sätzen zu entfernen. 
    Der Himmel entfesselte ein Inferno, und sie hatte nur noch den Gedanken, sich schnellstens in Sicherheit zu bringen. Einige Male rutschte sie auf dem quatschnassen bemoosten Boden aus, kam schnell wieder auf die Füße und machte sich schon Gedanken darüber, wie verdreckt sie ihm in Kürze gegenübertreten würde. Sie wusste, er würde nur darüber lachen und … 
    Nicht weit entfernt musste es eingeschlagen haben. Der Donner war so laut, das konnte nicht gut gegangen sein. Morgen würde sie mit ihm die Schäden im Wald begutachten.
    Ein brennender Schmerz durchfuhr sie. 
    Sie versuchte, den nächsten Schritt zu machen, und musste eine furchtbare Erkenntnis hinnehmen. Sie würde keinen Schritt mehr machen können, denn ihr rechter Fuß steckte eingeklemmt in einer Schlagfalle. Verzweifelt versuchte sie, das eiserne Ding aufzuklappen. Nicht einen Millimeter weit bekam sie es auseinander. Es blutete in hellen Strömen, und entsetzt stellte sie fest, dass es die Fußarterie erwischt hatte. 
    „Das Aspirin!“, schoss es ihr durch den Kopf. 
    Der erwünschte Effekt des Medikamentes, die Blutverdünnung würde ihr zum Verhängnis werden, wenn sie nicht schnellstens Hilfe bekommen könnte. Sie riss ihr Handy aus dem Rucksack. Kein Empfang! Mit einem T-Shirt versuchte sie, den Fuß abzubinden. Schon hatte sie gedacht, Erfolg zu haben, als sie erkannte, dass das Blut fast unvermindert schnell weiter ins nasse Moos floss. 
    Zwischen den nächsten krachenden Donnerschlägen schrie sie sich die Seele aus dem Leib. 
    Er konnte nicht weit weg sein. Sie hatte es doch beinahe geschafft! 
    Das Gewitter hatte für Abkühlung gesorgt. Aber gewiss nicht
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