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Snap - Im Haus des Bösen

Snap - Im Haus des Bösen

Titel: Snap - Im Haus des Bösen
Autoren: Douglas Preston , Lincoln Child
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Spiralen, die mich an die mit Kaurischnecken besetzten Halsketten aus der Südsee erinnerten, und grazile Spritzmuster, ähnlich wie ein explodierendes Feuerwerk am Himmel. Und andere, dichtere Gestaltungsmuster, zum Beispiel grinsende Gesichter mit schlitzartigen Augen und weitaufgerissenen Mündern, die uns von den Wänden entgegenzuschreien schienen.
    Mein Vater sagte nichts. Ich glaube, sein Schweigen verunsicherte mich mehr, als wenn er vor Ekel aufgeschrien hätte. Langsam ging er zur nächstgelegenen Wand und hielt die Lampe in die Höhe, wobei er sie hin und her schwenkte. Der sich bewegende Lichtschein warf unzählige winzige Schatten und Schemen auf die Oberflächen, wie in einer alptraumhaften Laterna-magica-Schau. Die … die Präzision, die phantastische
Handwerkskunst
, wenn du so willst, hatte etwas Diabolisches.
    Trotz meines Schocks und obwohl ich beinahe betäubt war vor Angst, formte sich doch irgendwo tief in mir – während ich mich mit weitaufgerissenen Augen im Schein der Lampe umblickte – die Frage, wie lange das hier schon vor sich ging; wie viele Kinder wie viele Jahre lang ihre Zähne für dieses schauderhafte ›Werk‹ hergegeben hatten. Der alte Dufour musste in der Tat sehr, sehr alt sein, dass er so viele Zähne anhäufen konnte.
    Quälend langsam ging mein Vater an allen vier Wänden des Zimmers entlang, hielt dabei seine Sturmlampe von sich gestreckt und spähte auf die Zahn-›Werke‹. Warum er es für notwendig hielt, sich das alles genau anzusehen, es zu inspizieren, weiß ich nicht. Ich habe meine ganze Kraft darauf verwendet, meine Augen vor dem abscheulichen Anblick abzuwenden.
    Ich war dermaßen erschrocken, dass ich, ohne zu überlegen, einige Schritte nach hinten machte und dabei den Halt verlor; instinktiv streckte ich meine Hand nach hinten aus, um nicht zu fallen. Sie berührte die Wand … und da spürte ich eine eklig kalte, harte
Unebenheit
. Mit einem Aufschrei riss ich meine Hand von den scharfkantigen Zähnchen weg, fast so, als hätte ich sie mir verbrannt, und taumelte vor Angst keuchend wieder noch vorn.«
    Pendergast hielt inne. Schließlich ging seine Atmung, die sich während dieser letzten Erinnerung beschleunigt hatte, wieder langsamer. Nach einer Weile erzählte er weiter.
    »Als mein Vater sich zu mir umwandte, erblickte ich einen seltsamen, hohlen Ausdruck in seinem Gesicht. ›Geh mal raus auf die Straße‹, sagte er. ›Ich muss Everett suchen.‹
    Aber ich gehorchte nicht. Ich hatte große Angst, von ihm getrennt zu sein. Als er sich anschickte, das Zimmer durch einen Durchgang im rückwärtigen Teil zu verlassen, rannte ich ihm hinterher. Ohne mich zu beachten, ging er mit gezücktem Revolver weiter über einen langen Flur. Wir gelangten in eine Küche, gefliest, sämtliche Oberflächen aus Marmor, aber alles mit Rattenkot und Schimmel übersät. Auch in dem schäbigen Wohnzimmer, in dessen Sofas und Stühlen sich Nager eingenistet hatten, fanden sich Hinweise weder auf meinen Onkel noch auf Maurus Dufour.
    Doch ganz hinten im Haus, in einem kleinen Raum, der zu einem ehemaligen Garten hinausging, fanden wir … eine Werkstatt. Ich sah einen Zahnarztstuhl, eine Antiquität aus dem späten neunzehnten Jahrhundert: nachgedunkeltes Holz, rissiges Leder und poliertes Messing, der Sitz von Ratten angenagt, die Füllung hervorquellend. Auf einem alten Tablett aus Stahl und Messing neben dem Stuhl lagen diverse rostige Dentalinstrumente mit Elfenbeingriffen.
    Und dort sahen wir, militärisch präzise auf dem Tablett ausgelegt, noch etwas anderes. Zähne, zweiunddreißig an der Zahl. Aber das waren keine Milchzähne, o nein, sondern alles Erwachsenenzähne. Und sie waren feucht, ihre Wurzeln blutig, manche derart gewaltsam gezogen, dass noch Teile des umgebenden Kieferknochens daran hafteten. Sie waren alle frisch gezogen worden.«
    »Frisch gezogen«, wiederholte Constance mit dumpfer Stimme und zitierte dann: »›Ich habe ihn
beschwichtigt
.‹«
    »Everett hat sich immer sehr präzise ausgedrückt. Und er hat den alten Dufour in der Tat
beschwichtigt
. Welch gespenstische Konfrontation sich da abgespielt haben muss.«
    »Und was ist mit ihm passiert?«
    »Wir haben Onkel Everett nie mehr wiedergesehen. Die Polizei hat das Haus durchsucht und noch einmal durchsucht. Sowohl Dufour als auch mein Onkel waren verschwunden, als hätten sie sich in Luft aufgelöst. Es gab diejenigen, die sagten, sie hätten in der Nacht Schreie gehört; dass sie eine dunkle
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