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Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Titel: Snack Daddys Abenteuerliche Reise
Autoren: Gary Shteyngart
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gefallen«, sagte ich. »Die ganze Welt auf einer kleinen Insel.«
    »Ich habe gehört, dass man da mit Schwarzen auf der Straße Basketball spielen kann«, sagte Yitzhak.
    »Wahr gesprochen«, sagte ich. »Deine Denke gefällt mir, junger Mann.«
    »Nun setz ihm nicht auch noch Flausen in den Kopf«, sagte der Bergjude. »Das ist uns schon ein paar Mal passiert – die jungen Leute machen sich nach L. A. oder Brooklyn davon, heiraten eine Fremde, und nach ein paar Jahren kommen sie zum
Pessach seder
nicht mehr nach Hause. Sie kommen nicht einmal mehr wieder, um auf die Gräber ihrer Großväter zu pissen. Aber wenn es mit ihren
gojischen
Weibern oder ihren Mischlingskindern nicht mehr läuft, kommen sie wieder angelaufen. ›Papa,
papotschka
, was habe ich nur angerichtet? Ich habe mein Volk verraten.‹ Und wir nehmen sie mit offenen Armenwieder auf und küssen sie und lieben sie, als hätten sie uns nicht einen Dolch ins Herz gestoßen. Wenn du ein Jude bist, kannst du dich hier immer zu Hause fühlen, sogar als Snob und Melancholiker.«
    »Danke, dass Sie uns gerettet haben«, sagte Nana und legte Avram eine Hand auf die Schulter. »Sie haben Ihr Leben für uns riskiert. Wir werden Ihnen Ihre Freundlichkeit nicht vergessen.«
    Avram schüttelte sie ab. »Na, irgendjemand musste es ja machen«, sagte er. »Der Mann vom Mossad hat gesagt: ›Ein Jude schwebt in Gefahr.‹ Wir wussten genau, was wir zu tun hatten. Ein Jude schwebt in Gefahr, also retten wir ihn. So sind wir eben.«
    Ich seufzte müde. Zorn schwoll in mir auf, der Zorn eines Mannes, dessen Schuldenberg wuchs. Ich versuchte, dem netten Yitzhak im Rückspiegel ermutigend zuzulächeln. Mit seinem seltsamen dunklen Gesicht lächelte er zurück. Wir fuhren durch ein verfallenes Dorf, in dem nur streunende Hunde zu leben schienen und zerrupfte Hühner, die keine Eier mehr legten; leblos hockte ein Frisör vor seiner Hütte, auf der das Wort »Frisuer« stand, falsch geschrieben auf Englisch, Russisch und vielleicht noch in einer dritten Sprache. Wir bemerkten die spitzen Kuppeln dreier ähnlicher Moscheen, die Seitengewehre ihrer Minarette unschuldig himmelwärts gerichtet. »Wie kommen Sie mit den Muslimen klar?«, fragte Nana in ihrer neuen unterwürfigen Stimme. »Sie leben so dicht beieinander.«
    »Ausgezeichnet«, sagte Avram, lüftete sein Lederkäppi und strich sich die Haare darunter glatt. »Sie lassen uns in Ruhe und wir sie. Sehr schlau sind sie nicht, so viel ist sicher. Sehen Sie sich nur an, wie sie leben. Diese Häuser sind seit Jahren nicht mehr gestrichen worden. Das soll ein Markt sein? Nichts als Rüben und Rettich und keine Importwaren? Warte nur, bis du
unser
Dorf siehst!«
    »Aber Avram –«, setzte ich eben an, da stieß Nana mir schon ihren Ellenbogen in die Seite.
    »Wehe, Mischa!«, flüsterte sie auf Englisch. »Verstehst du denn nicht, was er für uns getan hat?«
    »Was er für
mich
getan hat«, flüsterte ich zurück. »Ich bin hier der Jude.«
    »Warum ist doch egal. Sie wollten mich zu meinem Vater zurückschicken.Ich hätte noch ein Semester an der NYU verpasst. Also wirst du wohl die Klappe halten!«
    Abwärts ging es, eine steile Schotterpiste hinunter, flankiert von vergoldeten sowjetischen Skulpturen üppiger Volleyballspielerinnen und wilder, weit ausholender Federballgötter. »Sie wollten hier ein olympisches Trainingszentrum bauen«, sagte Yitzhak. »Aber irgendwer ist mit dem Geld durchgebrannt.«
    »Wer das wohl war«, sagte ich leise zu mir selbst. Die Schotterpiste endete an einem plätschernden Fluss unbekannter Herkunft. Dahinter erhob sich eine Gruppe von Neubautürmen mit silbernen Antennen und Satellitenschüsseln auf den Dächern, neben riesigen Rotklinkeranwesen, einige umgeben von kleinen Kränen, an denen vierte oder fünfte Stockwerke hingen oder die glänzenden Oberlichter, die man ihnen aufsetzen wollte, eine Art Bilderbuchdorf mit gnadenloser Mikrowellenpolitur.
    »Unser bescheidener Weiler, Davidowo«, sagte Avram. »Unser kleines Paradies.«
    Nach der Trostlosigkeit der muslimischen Siedlung fanden wir uns auf einer modernen Hauptstraße, gesäumt von Läden namens HAUS DER MODE und PALAST DES GLÜCKS und 24 STUNDEN INTERNET CLUB , die Parkplätze voller Toyotas und Landrover. In einem nahen Wohnviertel saßen alte Menschen, wettergegerbt und von orientalischer Anmutung, reglos auf ihren Veranden und ließen ihre Körper langsam in der Sonne verdorren, während Kinder aller Altersstufen sie
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