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Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Titel: Snack Daddys Abenteuerliche Reise
Autoren: Gary Shteyngart
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umspielten und ihre gebräunten Beine und Versace-Gürtelschnallen aufblitzen ließen. »Wo sind die ganzen Erwachsenen?«, fragte Nana.
    »Geschäfte machen«, sagte Avram. »In Israel oder Moskau. Wir handeln mit Gütern und Haushaltswaren aller Art. Die Hälfte der Sachen, die Sie in Svanïstadt finden, werden von uns importiert. Wir haben sogar unsere eigene Parfümerie 718.«
    »Ihr seid also ein Volk von Händlern«, sagte ich mit Abscheu in der Stimme.
    Wir erreichten den Dorfplatz, und ich blinzelte ungläubig mit den Augen. Eine sonnenbeschienene Replik der Klagemauer von Jerusalemnahm eine ganze Seite des Platzes ein, zwischen den authentischen Ziegeln spross ebenso authentisches Moos hervor, die Anlage wurde von einem Satz israelischer Dattelpalmen geschmückt.
    »Und was ist das denn bitte?«, fragte Nana. Sie zeigte auf zwei Statuen aus einer Art Glasfasermaterial; die eine stellte ein seltsames Ensemble aus drei Männern dar, die über etwas tanzten, was wie ein Flugzeugwrack aussah, die andere einen Mann mit einer Fackel, der sich den Bauch hielt, als hätte er Blähungen.
    »Das ist Trotl der Demokrat mit der Fackel der Freiheit, wie er gerade vor dem Hyatt erschossen wird«, erklärte Yitzhak. »Und die andere zeigt Georgi Kanuks Himmelfahrt, nachdem sein Flugzeug abgeschossen wurde. Sein Sohn Debil und Alexandre Dumas halten ihm die Beine fest, weil sie wollen, dass er auf der Erde bleibt. Na ja, wenn wir von Splittergruppen der Sevo- oder Svanï-Gangs überfallen werden, liegen wir in jedem Fall richtig.«
    »Und hier kommt unser Begrüßungskomitee«, sagte Avram. Eine Traube verspielter Kinder umringte uns. Ein kleiner Junge unter einer viel zu großen
jarmelke
, in einem T-Shirt mit der Aufschrift
BAD 4EVER
, acid-washed, lief auf unser Auto zu und klopfte an meine Tür.
    »Vainberg! Vainberg! Vainberg!«, rief er.
    »Hilf mir aus dem Wagen, junger Mann«, sagte ich. »Dann kriegst du auch einen Dollar.« Während die vorpubertären Spielgefährten des Kleinen ihre Derwischkreise um mich zogen, bahnte ich mir den Weg zu einem Pulk von Männern, die im Schatten der Klagemauer heftig rauchten. Bei näherer Untersuchung zeigte sich, dass die Hälfte von ihnen höchstens Teenager waren, die Köpfe mit weißseidenen
jarmelkes
geschmückt, das ungekämmte Haar bis an die Augen reichend, die schlaksigen Körper vom Dorfleben erschlafft. »Ist das deine Freundin?«, fragte einer und zeigte auf Nana, die unentschlossen auf uns zuwackelte. »Ist sie Jüdin?«
    »Sag mal, spinnt ihr?«, rief ich. »Das ist Nana Nanabragovna!«
    »Wir können dir ein hübsches Mädchen aus dem Ort besorgen«, empfahl ein anderer. »Eine Bergjüdin. Schön wie Königin Esther, sexy wie Madonna. Wenn du sie geheiratet hast, macht sie alles Mögliche für dich. Die Hälfte davon auf den Knien.«
    »Ihr verdorbenen Kinder«, sagte ich abfällig. »Was kümmert mich die Religion? Auf Knien sind alle Frauen gleich.«
    »Wie du willst«, antworteten die Teenies und traten ehrfürchtig vor einem alten Mann zurück, der sich an Avram lehnte und dessen dunkles Gesicht im Gestrüpp eines weißen, wild wuchernden Bartes verschwand; das eine Auge hatte er auf ewig vor der Welt verschlossen, mit dem anderen zwinkerte er ein wenig zu beharrlich, aus seinem Mund spritzten Sabber und Glück so fröhlich wie aus einer amerikanischen Sodamaschine. »Vaaaainberg«, schmachtete er.
    »Das ist unser Rebbe«, sagte Avram. »Er will dir etwas sagen.«
    Sanft spuckte mir der Rabbi ein paar Sekunden lang ein unverständliches Gebrabbel ins Gesicht. »Sprich Russisch, Großväterchen«, sagte Avram. »Er versteht unsere Sprache nicht.«
    »Uuuuh«, sagte der Rabbi verwirrt. Er rieb sich den gelben Schwamm, der sein Gehirn umhüllte, und versuchte es auf Russisch. »Deine Vaater war a groisse Man«, sagte er. »A groisse Man. Hat uns geholfen die Mauer baun. Kuckste wie groiss.«
    »Mein Vater hat beim Mauerbau geholfen?«
    »Hat uns gegeben Geld für Ziegel. In Aschkelon Palme gekauft. Keine Problem. Hasst er die Araber. Machen wir Gedenktafel.«
    Einer der rauchenden Männer an der Mauer trat beiseite und tippte mit dem Zeigefinger auf eine hübsche braune Tafel, auf der ich sofort den Schwung der großen Adlernase meines Vaters ausmachen konnte, die verdruckste Hieroglyphe, aus der der Künstler sein linkes Auge geformt hatte, das dornige Gekritzel, das die Lebensfreude und den Sarkasmus seiner Lippen darstellen sollte. FÜR BORIS ISAAKOWITSCH
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