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Slide - Durch die Augen eines Mörders

Slide - Durch die Augen eines Mörders

Titel: Slide - Durch die Augen eines Mörders
Autoren: Jill Hathaway
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Morrow – sie war meine Tochter. Eure Schwester. Sie wurde zu früh geboren und hatte eine schwere Missbildung. Ich war der Einzige, der ihr helfen konnte. Ich habe es versucht …«
    Als er in Schluchzen ausbricht, fühle ich mich schrecklich. Was immer er auch getan haben mag, er ist mein Vater und hat jemanden verloren, den er liebte, so wie ich Mom verloren habe. Ihn weinen zu sehen zerreißt mir das Herz.
    »Ich habe alles getan«, flüstert er und wischt sich die Tränen ab, wobei Tomatensoße seine Wangen verschmiert. »Ich habe versucht, sie zu retten.«
    Einen Moment lang sage ich nichts. Man hört nur meinen Vater und meine Schwester weinen. Es ist fast vorbei. Nur eins muss ich noch wissen.
    »Zane«, sage ich leise.
    »Ja«, sagt er und wischt sich das Gesicht mit einem Küchentuch ab. »Zane war ihr Sohn.«
    »Warum hast du es mir nicht gesagt? Vor allem, nachdem du herausgefunden hattest, dass wir zusammen waren.«
    »Ich – ich konnte es nicht. Ich war nicht bereit dafür. Evelyn fing an, mich anzurufen, zu verfolgen. Ich war wie gelähmt. Wusste nicht, was ich machen sollte.« Ich versuche, diese Neuigkeiten zu verdauen. Evelyn hat meinen Vater gestalkt. Er fährt fort. »Vee, du kannst nicht wissen, wie schuldig ich mich in diesen ganzen vierzehn Jahren gefühlt habe. Ich denke daran, wenn ich morgens aufstehe und in den Spiegel schaue. Ich denke daran, wann immer ich meinen OP -Kittel anziehe, um ein Baby zu operieren. Ein fremdes Baby.«
    Ich kann nicht ermessen, was es bedeutet, seine eigene Tochter nicht retten zu können. Manche Dinge sind zu grauenhaft, um darüber nachzudenken.
    Ich fahre mit den Fingern über das Foto meiner Mutter und stelle mir vor, wie sich mein Vater im Bett an mich und meine Mutter kuschelt. Mattie wächst in ihrem Bauch. Hat mein Vater uns weniger geliebt, nur weil er mit einer anderen Frau geschlafen hat? Hat er deswegen nicht alles für meine Mutter getan? Löscht das die Jahre aus, in denen er für uns gesorgt hat?
    Ich sehe meinen Vater an und sehe ihn als das, was er ist.
    Ein Mann. Er ist einfach ein ganz normaler Mann mit Fehlern. Wie jeder andere auch. Eines Abends hat er zu viel getrunken und eine Dummheit begangen. Einen Fehler. Aber er besteht nicht nur aus diesem Fehler. Er ist der Mann, der uns Lasagne macht, der das Foto meiner Mutter in die Hand nimmt und weint, wenn er sich unbeobachtet fühlt, der Mann, der kranke Babys gesund macht.
    Er ist ein guter Mann. Trotz seiner Fehler.
    »Könnt ihr mir jemals verzeihen?« Er wagt nicht, uns anzusehen.
    Ich rutsche vom Hocker, gehe um die Theke und lege den Arm um ihn.
    »Ja«, sage ich schlicht.
    Mattie tut es mir nach und kuschelt sich an seinen anderen Arm. »Ja.«
    Zu dritt stehen wir dort. Zusammen.
    Eine Familie.
     
    Am Sonntagmorgen ist in Marty’s Diner nichts los. Die beiden Kellnerinnen lehnen am Tresen und unterhalten sich über die Frau und den Jungen, die vor einer Woche bei einem Autounfall gestorben sind. Es war überall in den Nachrichten, dass die Polizei das Haus der Frau durchsucht und im Keller Beweismittel gefunden hat – Schusswaffen, Seile, Benzin. Außerdem gab es ein völlig irres Tagebuch, in dem sie schreibt, dass Jared Bell ihr Baby getötet habe und sie sich deswegen an unserer Familie und so ziemlich allen Mädchen aus Matties Jahrgang rächen wollte. Sie habe alle Gäste auf Samanthas Party töten wollen, behauptet die mollige Kellnerin. Die Große schüttelt ungläubig den Kopf.
    Rollins sitzt mir in der Nische gegenüber und schaut zu, wie ich mit Zuckertütchen spiele.
    »Vee, das mit Zane tut mir wirklich leid.«
    Ich sage nichts.
    Er versucht es noch einmal. »Ich meine, ich war nicht sein größter Fan, aber immerhin hat er dich glücklich gemacht. Er war sicher ein netter Kerl. Obwohl seine Mom völlig verrückt war.«
    Ich versuche, aus den Tütchen ein Haus zu bauen, aber es fällt um. Ich gebe auf.
    »Ich möchte, dass du glücklich bist.« Er legt seine Hand über meine und die verstreuten Zuckertütchen.
    »Das weiß ich doch.« Endlich sehe ich ihm in die Augen. »Ich habe mich in den letzten Wochen schrecklich benommen. Es ist soviel Schlimmes passiert … aber es tut mir leid, dass ich so zickig war.«
    Er tippt mit dem Zeigefinger auf meine Hand. »Ich verzeihe dir, wenn du mir erklärst, was an dem Abend in Zanes Zimmer passiert ist.«
    Ich seufze. Vor diesem Augenblick habe ich mich gefürchtet. Ich wusste, dass er kommen würde, hatte aber gehofft, ihn
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