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Slide - Durch die Augen eines Mörders

Slide - Durch die Augen eines Mörders

Titel: Slide - Durch die Augen eines Mörders
Autoren: Jill Hathaway
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Bett und sehe die Scheinwerfer der vorbeifahrenden Autos an der Decke. So sehr ich mich auch bemühe, ich werde die Geräusche des Unfalls nicht los. Die Schreie von Zane und seiner Mutter, für alle Ewigkeit ineinander verflochten.
    Ich habe zu Hause sofort den Notruf verständigt. Man sagte mir, ein Rettungswagen sei bereits vor Ort. Ich fragte, wie es den Insassen gehe, aber die Frau konnte mir keine Einzelheiten nennen. Sie schlug vor, ich solle im Krankenhaus anrufen, doch auch dort gab man mir keine Informationen.
    Auf meinem Wecker ticken die Minuten dahin, erstrecken sich in die Ewigkeit. Zum ersten Mal, seit meine Mutter gestorben ist, bete ich. Ich bete für Zanes Leben. Ich bete um Gerechtigkeit – ob ich damit den Tod seiner Mutter oder eine lebenslange Gefängnisstrafe meine, weiß ich selbst nicht. Das überlasse ich anderen Mächten.
    Ich bete, dass es Morgen wird.
     
    Als es an der Tür klingelt, wendet mein Vater gerade die Schokopfannkuchen. Mattie schläft noch. Also gehe ich an die Tür. Ich tappe in Pantoffeln durch die Diele und spähe durch den Vorhang. Dort steht Officer Teahen, die Hände in den Taschen, das Gesicht zum Himmel gerichtet. Ich öffne die Tür.
    »Kann ich Ihnen helfen, Officer Teahen?«
    »Mattie?« Er blinzelt, als wäre mein Name irgendwo in meine Stirn graviert.
    »Nein, ich bin Sylvia.«
    »Dein Vater zu Hause?«
    Ich nicke und sehe ihn mit großen Augen an. Ich hole ein paarmal tief Luft und rufe meinen Vater. Er taucht aus der Küche auf und wischt sich die Hände an einem Geschirrtuch ab.
    »Officer Teahen.« Seine Stimme klingt hart. »Was kann ich für Sie tun?«
    Ich ziehe mich zurück und setze mich auf die Treppe. Ich habe tausend Dinge in den Augen des Polizeibeamten gelesen. Zane und seine Mutter sind tot. Die Polizei hat meine Fingerabdrücke in ihrem Haus gefunden und will mich deswegen befragen. Oder sie haben den Notruf nachverfolgt und wollen wissen, woher ich von dem Unfall wusste. Oder aber Zane und seine Mutter sind am Leben, und seine Mutter will meinen Vater verhaften lassen, weil er vor so vielen Jahren »ihr Baby getötet« hat.
    Der Polizist nickt meinem Vater zu. »Mr Bell, ich möchte Ihnen einige Fragen über eine Frau namens Evelyn Morrow stellen.«
    Mein Vater schaut mich an, tritt auf die Veranda und schließt die Tür hinter sich. Er bleibt lange draußen. Als er zurückkommt, sind seine Augen verweint. So hat er noch nie ausgesehen. Niemals. Er kommt zu mir, die Arme ausgestreckt wie bei einem Zombie. Ich begreife nicht, was er vorhat, bis er mich an sich drückt, dass mir die Luft wegbleibt. Aber er soll nicht damit aufhören. Er soll mich nicht loslassen.
    »Es tut mir so leid, Vee«, sagt er und streichelt mein Haar. Da weiß ich, dass es vorbei ist. Zane ist tot. Es war dumm von mir, jemals etwas anderes zu glauben. Es war dumm zu hoffen. Ich bin dumm. So dumm.
    Mein Vater tritt zurück und schaut mich an. »Zane hatte einen Autounfall, Liebes. Es tut mir so leid. Er ist tot.«
    Da breche ich zusammen.
     
    Ich erwache, weil ich die Stimme meines Vaters höre.
    »Vee. Wach auf!«
    Ich öffne ein Auge und erkenne, dass ich auf dem Holzboden liege. Einen Moment lang denke ich, so muss es sich anfühlen, wenn man in einem Sarg liegt. Alles ist kalt und hart.
    Ich drehe den Kopf nach rechts und übergebe mich. Mein Vater hält mir die Haare aus dem Gesicht.
    »Schon gut, Vee. Wir gehen jetzt nach oben, und ich mache dich sauber. Kannst du aufstehen?«, fragt er, als ich fertig bin. Ich glaube, das kann ich nicht. Mir ist, als würde ich nie wieder aufstehen. Dennoch setze ich meine Füße auf den Boden, lege die Arme um seinen Hals und – siehe da – ich stehe. Wir gehen nach oben, Stufe für Stufe, dann den Flur entlang zum Badezimmer.
    Mein Vater hält die Hand unter den Wasserhahn, bis das Wasser die richtige Temperatur hat, und hilft mir beim Ausziehen. Er wendet sich die ganze Zeit ab. Und ich denke an Rollins und seine Mutter und dass man genau das für einen geliebten Menschen tut, der es nicht mehr selbst tun kann.
    Nachdem ich gebadet habe, bringt mein Vater mich in mein Zimmer. Er deckt mich zu. Er schließt die Jalousie und geht hinaus. Meine Augen sind weit offen.
    Stunden vergehen.
    Ich schlafe nicht.
     
    Später am Abend gebe ich auf und schalte das Licht ein. Mein Bücherregal schimmert, als wollte es mich anlocken. Ich knie mich davor und suche nach dem Buch, von dem er mir erzählt hat, das zu lesen ich ihm
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