Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Skorpion

Skorpion

Titel: Skorpion
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
dich zu warnen.«
    »Ja, und er wird dir gleich auf den Fersen sein, verflucht!«
    Ein trockener Knall, eine offene Hand über ein Gesicht. Carl vernahm das jähe Hochziehen von Luft durch die Wand, sonst nichts. Sie war zäh oder daran gewöhnt, oder beides. Er drückte die Klinke leise herab, öffnete die Tür einen Spalt breit und spähte hindurch. Eine große Gestalt bewegte sich ruckartig durch sein beengtes Blickfeld. Ein hochgeworfener Arm, gestikulierend, zu schnell wieder weg, um erkennen zu können, ob eine Waffe in der Hand war oder nicht. Carl griff unter seiner Jacke nach der Haag-Pistole. Im benachbarten Raum ertönte ein dumpfer Schlag. Etwas Schweres war zu Fall gekommen.
    »Er ist dir vielleicht gerade jetzt auf den Fersen, hat dich womöglich gehen lassen, damit er genau das tun kann. Du hohlköpfige Fotze, du hast…«
    Jetzt.
    Carl warf die Tür auf und sah sich den beiden gegenüber. Sie standen auf der anderen Seite eines winzigen Wohnzimmers mit Teppichen in leuchtenden Farben. Halb abgewandt überragte Gray eine Gaby, die im Zurückweichen über einen hohen Blumentopf neben dem Vordereingang gestolpert war. Auf ihrem Gesicht war nach wie vor der gerötete Handabdruck zu erkennen, wo er sie geschlagen hatte. Weitere Blumen im Raum, billige, bemalte Keramiken und Bilder von Pachamama auf Regalen, die kleine Statue eines Heiligen oder von jemand anderem auf einem Regal sowie an der Wand eingerahmt ein Gebet auf Spanisch. Sie waren in Gabys Haus.
    Er ließ seine Stimme hart und ruhig klingen.
    »Das war’s, Frank. Das Spiel ist aus.«
    Gray wandte sich langsam um, zielstrebig, und verdammt, ja, er hatte eine Waffe, eine große schwarze Kanone, die mit der Faust am Ende seiner rechten Hand verschweißt zu sein schien. Ein winziger Teil Carls, ein Unterprogramm, immun gegenüber dem Netz und dem Beta-Myelin, das den Rest seines System überflutete, identifizierte sie als die Mordwaffe, die 0,61 Smith hülsenlos. Weit über vierzig Jahre alt, aber es hieß, man könne diese Waffe im Orbit aussetzen, herumschwenken und sie wieder an sich nehmen, und sie würde nach wie vor Dinge töten, als käme sie frisch aus der Fabrik. Zum ersten Mal seit einiger Zeit war er dankbar um die kühle, massige Haag in der eigenen Hand.
    Daran änderte sich auch nichts, als ihn Gray anlächelte.
    »Hallo, du, UN-Mann!«
    Carl nickte. »Leg die Waffe nieder, Frank. Es ist vorbei.«
    Gray runzelte die Stirn, als ziehe er das ernsthaft in Erwägung. »Wer hat dich geschickt? Jesusland?«
    »Brüssel. Leg die Waffe nieder, Frank!«
    Aber der andere Mann rührte sich überhaupt nicht. Er hätte gut und gern ein Holostandbild sein können. Selbst das Stirnrunzeln verflog nicht. Vertiefte sich vielleicht ein wenig, als ob Gray versuchen würde herauszubekommen, wie zum Teufel alles so weit gekommen war. »Ich kenne dich, stimmt’s?«, fragte er plötzlich. »Marceau, ja? Der Lotterieknabe?«
    Halte ihn am Reden!
    »Fast. Marsalis. Mir gefällt das neue Gesicht.«
    »Wirklich?« Er hielt die Smith nach wie vor locker im Griff, den Arm an der Seite.
    Carl fragte sich, ob Gray noch vernetzt war. In diesem Fall würde es einen Unterschied bei seiner Schnelligkeit bedeuten, aber das war nicht das wirkliche Problem. Das wirkliche Problem bestand in dem Unterschied, den es für Grays Haltung bedeutete. »Versuche, mich anzupassen, weißt du. Deru kui wa utareru.«
    »Ich glaube kaum.«
    »Nein?« Und das langsame, alarmierende Lächeln. Carl hatte gehofft, es nicht sehen zu müssen.
    »Du solltest niemals plattgemacht werden, Frank. Keiner von uns sollte das, das ist unser Problem. Und das ist ein entsetzlicher japanischer Akzent. Wenn ich dir einen guten Rat geben darf: Verbreite deine Weisheiten lieber auf Englisch.«
    »Darfst du nicht.« Das Lächeln wurde zu einem Grinsen. Er rutschte allmählich in den Spalt hinab. »Mir deinen Rat geben, meine ich.«
    »Warum legst du die Waffe nicht hin, Frank?«
    »Du willst ’ne verdammte Liste von Gründen?«
    »Frank.« Carl blieb absolut ruhig. »Schau auf meine Hand! Das ist eine Haag-Pistole. Selbst wenn du mich erwischst, brauche ich dich bloß im Stürzen ein bisschen zu kratzen. Es ist vorbei. Warum versuchst du nicht, etwas zu retten?«
    »Wie du, meinst du?« Gray schüttelte den Kopf. »Ich bin niemandes Hündchen, UN-Mann.«
    »Oh, werd mal erwachsen, Frank!« Der jähe Ärger in der eigenen Stimme überraschte ihn. »Wir sind alle jemandes Hündchen. Wenn du tot sein willst,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher