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Sklavin des Herzens

Sklavin des Herzens

Titel: Sklavin des Herzens
Autoren: Johanna Lindsey
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Verfügung – absolut nichts von ihrem eigenen Geld. Vermutlich dachte er, daß Ellen gut genug situiert war, um für sie beide zu sorgen, oder es war ihm einfach egal. Sie hatte ihn in ihrem letzten Brief eines Besseren belehren müssen. Stolz war Stolz, aber er brachte kein Essen auf den Tisch. Ellens eigenes Erbe von ihrem Vater war schon vor langen Jahren zu einem sehr bescheidenen Einkommen zusammengeschmolzen, das gerade für eine Person reichte. Inzwischen waren mehrere Monate vergangen, und Charles hatte noch keinen Brief beantwortet. Nun war er wieder in London und gab Chantelles Geld für seine eigene Familie aus, während Ellen jeden Pfennig umdrehte und alte Erbstücke verkaufte, damit Chantelle nicht merken konnte, was für ein erschreckendes Vermächtnis ihr Vater ihr hinterlassen hatte.
    Nein, dachte Ellen, um fair zu sein: Es war nicht die Schuld ihres Bruders. Als sein Erbe, ihr älterer Cousin, gestorben war, hatte Oliver keine Anstrengung gescheut, den Aufenthaltsort des jüngeren Vetters, des neuen Titelerben, zu entdecken. Daß auch Oliver starb, ehe Charles gefunden wurde, war nicht vorauszusehen. Zudem hatte Oliver nicht wissen können, was für ein Taugenichts Charles war, sonst hätte er für Chantelle entsprechende Vereinbarungen getroffen. Das Fehlen dieser Vereinbarungen machte Charles, Chantelles einzigen männlichen Verwandten, zu ihrem gesetzlichen Vormund.
    Wenigstens hatte Chantelle ihre Tante Ellen. Bei einem Altersunterschied von zwanzig Jahren bestand zwischen den beiden ein Mutter-Tochter-Verhältnis, obwohl Ellen bei der Erziehung ihrer Nichte nicht mitgeholfen hatte. Sie war viel auf Reisen und sehr unabhängig gewesen. Vor zehn Jahren hatte sie dieses Haus in Norfolk gekauft und sich da niedergelassen – allein, wie sie es mochte. Dennoch hatte sie nichts dagegen gehabt, als Chantelle nach dem Tod ihres Vaters zu ihr gekommen war. Sie liebte das junge Mädchen von Herzen.
    Ellen besaß keine eigenen Kinder; vielleicht fühlte sie sich deshalb der einzigen Tochter ihres Bruders so eng verbunden. Es war ihre eigene Entscheidung, daß sie nie geheiratet hatte. Sie war eine unscheinbar aussehende Frau von neununddreißig Jahren mit hellbraunem Haar und blauen Augen, die ihr attraktivstes Merkmal ausmachten. Sie hatte Heiratsanträge bekommen und sogar einige Liebesaffären gehabt, an die sie sich gern erinnerte -es war also nicht so, daß sie Männer ablehnte, sie mochte nur mit keinem leben. Dafür liebte sie ihre Unabhängigkeit zu sehr.
    Vielleicht war es nicht klug gewesen, Chantelle die letzten eineinhalb Jahre bei sich zu behalten. In dieser Zeit war die junge Frau ebenfalls unabhängig geworden. Das war gut für ein Mädchen, das nicht heiraten wollte, aber Chantelle würde heiraten.
    Anders als Ellen, die den unauffälligen Burkes nachschlug, war Chantelle wie eine einsame Blume zwischen Unkraut, die ihre französische Herkunft mütterlicherseits nicht verleugnen konnte. Oliver hatte immer behauptet, sie sei das Ebenbild ihrer Großmutter, von der es hieß, sie habe Königen als Mätresse gedient – eine seltene Schönheit am französischen Hof. Chantelle trug sogar den Namen dieser Frau. Und es stimmte: Mit ihrem platinblonden Haar und den verblüffenden Augen von veilchenblauer Farbe ähnelte sie den Burkes überhaupt nicht. Sie war zwar nicht klein und zerbrechlich, aber mit einem Meter achtundsechzig auch nicht zu groß. Ihre außergewöhnliche Schönheit konnte von Männern nicht übersehen werden. Sie würde sich die attraktiven Freier aussuchen und einen wohlhabenden heiraten können – falls Charles Burke als ihr Vormund ihr die Chance dazu ließe.
    Ellen seufzte. Wenn dieser Mensch ihre Briefe nicht bald beantwortete, mußte sie ernsthaft in Erwägung ziehen, Chantelle selbst nach London zu bringen. Die junge Frau verdiente es, in einem ihren Mitteln und ihrem Stand angemessenen Stil in die Saison eingeführt zu werden. Sollte Charles ihr das verwehren wollen – was man nach seinem Stillschweigen wohl annehmen konnte -, würde sie, Ellen, das nicht kampflos akzeptieren. Sie besaß noch genügend Freunde und Einfluß in London, um ihrem Vetter Unannehmlichkeiten zu bereiten, falls er seinen Verpflichtungen nicht nachkam.
    »Tante Ellen, ich bin wieder da!« rief Chantelle plötzlich von der Küche her und betrat einen Moment später das Wohnzimmer. »Ich habe ein schönes Stück Rindfleisch zum Essen und ein paar Nieren fürs Frühstück mitgebracht. Oh, und
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