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Skandal um Lady Amelie

Skandal um Lady Amelie

Titel: Skandal um Lady Amelie
Autoren: Juliet Landon
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danke.“ Sie tastete nach den Zügeln, stieß Isabelle die Fersen in die Flanken und konnte sich dann nur mühsam aufrecht halten, als das Tier den Rückweg über Pfützen und Schlaglöcher aufnahm. Schwankend saß sie im Sattel, und schon schmerzte ihr Körper von den Prellungen, die sie sich zugezogen hatte. Sie konnte sich nicht enthalten, das eine oder andere Mal den Kopf zu wenden, um die Finsternis zu durchforsten, doch meistens waren ihre Gedanken bei der armen Schwangeren, die sich bestimmt im Stich gelassen fühlte und nun das Schlimmste von Menschen wie ihr halten musste.
    Vielleicht hätte ich nicht so freigebig mit meinen Versprechungen sein sollen und dafür argwöhnischer, was Hilfsbedürftige angeht, dachte Amelie. Im Laufe der letzten beiden Jahre hatte sie gelernt, die Welt ein wenig abgeklärter zu betrachten, trotzdem schmerzte sie nun die heutige Enttäuschung mehr als ihre blauen Flecke. Zu solchen Zeiten fehlte ihr der väterliche Rat Josiahs besonders.
    Sheen Court, Richmond, Wohnsitz des Marquis of Sheen
    Lord Nicholas Elyot antwortete auf das behutsame Pochen an der Tür des Studierzimmers einzig mit einem kurzen „Ja?“, legte allerdings die Feder, die er gerade zurechtschnitt, auf der lederbezogenen Schreibtischplatte ab. Die einzige Kerze flackerte im Zug, als die Tür geöffnet und gleich wieder geschlossen wurde.
    „Glück gehabt, Todd?“
    Mr. Todd erlaubte sich ein kleines Lächeln. „Ja, Mylord. Ich glaube, wir haben da etwas.“ Er wies ein nasses, besticktes Retikül mit weit aufgezogenen Bändern vor. „Die Frau, eine gewisse Ginny Hodge, hatte eine Pechsträhne. Bekam vorm Tor des Armenhauses von einer diebischen alten Vettel eins über, dabei verlor sie das hier, samt Inhalt.“ Er legte den Beutel auf den Schreibtisch und sah zu, wie Seine Lordschaft einige Gegenstände daraus hervorfischte: ein Parfümfläschchen aus blauem Glas mit silbernem Verschluss, ein feuchtes Spitzentaschentuch von bester Qualität und ein filigranes Visitenkartenkästchen aus Silber und Perlmutt, in der eine einzelne Karte steckte.
    Diese wurde an die Augen geführt und schweigend studiert, so lange gar, dass Mr. Todd sich wunderte. Schließlich schüttelte Seine Lordschaft mit einem ungläubigen Knurren den Kopf. „Nun … nun …“, sagte er leise. „Wurde diese … Ginny Hodge verletzt?“
    „Wenn, dann nicht besonders schwer, Sir. Ich bin ihr gefolgt; sie lebt in der Paradise Road, in einem der großen neueren Häuser. Sie betrat es durch den Hintereingang, obwohl sie von der Stimme und der Sprache her nicht wie eine Dienstmagd klang.“
    Seine Lordschaft erhob sich, ging zu einem Tischchen und schenkte ein Glas Whisky ein, das er seinem Informanten reichte. „Hier, trinken Sie, und ziehen Sie sich rasch etwas Trockenes an. Übrigens, gute Arbeit!“
    „Danke, Mylord. Soll morgen früh die Kutsche bereitstehen?“
    „Nein, der Phaeton. Gute Nacht, Todd.“
    „Gute Nacht, Mylord.“
    Eine Silbermünze wanderte in die Hand Mr. Todds, ehe er die Tür genauso leise hinter sich schloss, wie er sie geöffnet hatte. Erst viel später jedoch löschte Lord Nicholas Elyot die einsame Kerze und erklomm, triumphierend das Retikül schwingend, die herrschaftliche Treppe zu den oberen Gemächern.

2. KAPITEL

    Bis zum Frühstück hatte Lord Elyots Überraschung sich ein wenig gelegt, und in seinem Kopf begann sich ein Plan zu formen, wie nun am besten vorzugehen wäre, da, wie er fand, die Instruktionen seines Vaters einer kleinen Korrektur bedurften. Eine Weile hörte man nur das leise Rascheln der Zeitungsblätter und gedämpftes Besteckklappern. Schließlich schob Lord Elyot seinen Teller fort, lehnte sich zurück und legte seinem Bruder dar, wie er sich den Verlauf des heutigen Tages dachte, wobei seine Vorschläge nicht die erwartete Billigung fanden.
    „Nick“, sagte Lord Seton vorwurfsvoll, „wenn ich gewusst hätte, dass du mich heim nach Richmond schleppst, damit ich Kinderfrau für ein grünes Dingelchen spiele, hätte ich dir was gehustet. Du weißt, ich tue alles für dich, aber das ist doch wirklich Blödsinn!“ Mit unnötigem Nachdruck legte er seine weiße Damastserviette nieder und lehnte sich, immer noch kauend, zurück. „Verdammt! Das Mädchen ist gerade aus dem Schulzimmer entlassen.“
    „Das ist kein Blödsinn“, erwiderte Lord Elyot, „ich meine es ernst. Schließlich sollst du die junge Miss ja nicht heiraten! Du sollst sie ein wenig amüsieren, während ich
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