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SISSI - Die Vampirjägerin

SISSI - Die Vampirjägerin

Titel: SISSI - Die Vampirjägerin
Autoren: Claudia Kern
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stammt von Vetter Roland.«
    Ihr Vater nahm es wortlos entgegen und riss das Kuvert mit dem Daumen auf. Er musste die Augen zusammenkneifen, um den Inhalt zu lesen.
    Er wird alt, dachte Sissi. Es war ein erschreckender Gedanke.
    Nach einem Moment knüllte ihr Vater das Papier zusammen. »Dieser verdammte Narr«, knurrte er leise. Ein seltsamer Unterton schwang in seinen Worten mit.
    »Wer?«, fragte Helene. Sie hatte eine Hand auf ihr Herz gelegt, als wolle sie es beruhigen.
    »János.«
    »Er hat es getan?«
    »Er hat es versucht.« Herzog Max fuhr sich mit dem Zeigefinger über den breiten Schnauzbart. »Alles in seinem Leben hat er nur versucht. Zum Husaren taugte er nicht, zum Schneider nicht und zum Attentäter erst recht nicht. Der Kaiser lebt und er? Er ist tot.«
    Sissi erinnerte sich an János, einen unauffälligen kleinen Mann, den Vetter Ronald ihrem Vater empfohlen hatte. Er war zweimal mit ihnen auf die Jagd gegangen, nicht in Possenhofen, sondern an einem Ort, an dem sie keiner kannte. Es hatte ihr gefallen, unter falschem Namen zu reisen, als eine Bürgerliche namens Regina. Nach dem zweiten Jagdausflug war János nicht mehr aufgetaucht.
    »Ist er gefoltert worden?«, fragte Néné.
    Ihr Vater hob die Schultern. »Wahrscheinlich, aber für uns spielt das keine Rolle. Er hat nichts gewusst, was uns gefährlich werden könnte.« Er schüttelte den Kopf und nahm ein Päckchen Streichhölzer aus der Tasche. »Was für ein Dummkopf.«
    Sissi sah zu, wie er das Telegramm verbrannte. Sie hielt es nicht für dumm, sich Kaiser Franz-Josef entgegenzustellen. Zu handeln, anstatt die ganze Zeit nur zu reden und Pläne zu schmieden, die vielleicht nie Früchte tragen würden. Wenigstens hatte János versucht, wovon sie alle träumten. In Sissis Augen war er ein Held, wenn auch ein gescheiterter. Doch das sagte sie nicht. Weder ihr Vater noch ihre Schwester hätten ihr zugestimmt.
    »Beeinträchtigt das unseren Plan?«, fragte Néné. Sie klang nervös.
    »Das werden wir bald erfahren.« Herzog Max ließ das brennende Telegramm fallen und wischte sich die Hände an der Hose ab. Ein Windstoß trieb die Asche auseinander. »Erst einmal machen wir weiter wie bisher.« Er sah Sissi an. »Wonach steht dir heute der Sinn?«
    Sie musste nicht lange überlegen. »Die Beidhänder.«
    Néné verdrehte die Augen. »Nicht schon wieder.«
    Ihr Vater lächelte. »Dann geh sie holen. Und vergiss nicht die Kurzschwerter für die Buben«, rief er Sissi nach, die bereits den Weg hinauflief.
    Sie winkte, ohne sich umzudrehen.

 
    KAPITEL ZWEI
    Die Existenz als Vampir ist weder erstrebenswert noch in irgendeiner Weise nostalgisch. Vampire sind nicht in der Lage, ihre Existenz zu reflektieren. Ihre Langlebigkeit wirkt auf sie nicht widernatürlich und doch haben sie kein Mitleid mit Wesen, denen weniger Zeit zugestanden wurde. Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie erschaffen keine Kunst, sie erfinden nichts. Ihre Existenz dient nur einem einzigen Zweck: sich am Leid anderer zu laben – metaphorisch und buchstäblich. Kann es also etwas Armseligeres auf dieser Welt geben als einen Vampir?
    – Die geheime Geschichte der Welt von MJB
    »Eine mit Weihwasser bestrichene Klinge? Wie theatralisch.« Sophie verharrte einen Moment in ihrem Sessel, bevor sie sich vorbeugte und auf dem Schachbrett den Läufer setzte.
    Karl, der ihr gegenüber auf einem mit Büffelhaar gepolsterten Hocker saß, schnalzte mit der Zunge, so wie er es immer tat, wenn er über etwas nachdachte. Im Hintergrund, irgendwo zwischen schweren Vorhängen, Kissen und Decken, schmatzte jemand vernehmlich.
    »Aber es ist natürlich deine eigene Schuld«, fuhr Sophie fort. »Dein Volk mag dich nicht.«
    Franz-Josef verschränkte die Hände hinter dem Rücken. Diener hatten ihm zwar einen Sessel an den Tisch gebracht, aber da seine Mutter ihn noch nicht gebeten hatte, sich zu setzen, blieb er stehen. Es waren ihre Gemächer und sie war in solchen Dingen sehr eigen.
    Eigentlich, dachte er, ist sie in allen Dingen ziemlich eigen .
    »Es ist mir egal, ob mein Volk mich mag«, erklärte er, wohl wissend, wie trotzig das klang, »solange es tut, was ich sage.«
    »Ach, Franzl.« Er hasste es, wenn sie ihn so nannte. »Könnte ich doch noch einmal so jung und naiv sein wie du.«
    Für Franz-Josef sah Sophie aus wie eine junge Frau. Sie hatte langes schwarzes Haar, das sie stets aufgesteckt trug, und ein ebenmäßiges, schmales Gesicht. Er wusste, wie sehr es sie störte, dass sie
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