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Sirup: Roman (German Edition)

Sirup: Roman (German Edition)

Titel: Sirup: Roman (German Edition)
Autoren: Max Barry
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sich.
    phase eins

    Um acht Uhr morgens sitze ich mit einem Bier, einem Schreiber, einem vollgekritzelten Stück Papier und wahnsinnigen Kopfschmerzen am Küchentisch. Nach meinem anfänglichen Anfall von Genialität weiß ich nicht mehr weiter. An guten Ideen herrscht zwar kein Mangel – der Name des Produkts, die richtige Vermarktungsstrategie und auch das angepeilte Marktsegment, kein Problem –, doch ein paar Sachen fehlen noch. Zum Beispiel: Wie soll das Zeug überhaupt schmecken? Und was noch schlimmer ist: Inzwischen ist mir siedendheiß eingefallen, daß ich das Produkt ja alleine gar nicht auf den Markt bringen kann.
    Echt deprimierend.
    Gott sei Dank kommt Sneaky Pete gerade nach Hause.
    sneaky pete

    Sneaky Pete ist der coolste Mensch, dem ich je begegnet bin. Das liegt sicher nicht zuletzt an seinem modischen Aufzug, doch in erster Linie hat es damit zu tun, daß er fast nie etwas sagt, und das wiederum verleiht ihm diese ungemein mysteriöse und selbstbewußte Aura. Kennengelernt hab ich Sneaky Pete während meines letzten Semesters an der Cal-State-Universität auf einer Marketingfete. Wir haben uns sofort angefreundet, und zwar ohne weitere Probleme, was angesichts seiner extremen Wortkargheit – selbst mich – eher verwundert. Und so war es nur logisch, daß wir unsere Mittel zusammenschmeißen, um gemeinsam in LA eine Wohnung zu suchen, besonders weil Sneaky Pete über erheblich bedeutendere Mittel verfügt als ich.
    Solltet ihr Sneaky Pete mal irgendwo begegnen, vielleicht auf ’ner Party in einem Strandhaus, dann wird man euch als erstes erzählen, daß er aus Tokio kommt. Aber das erfahrt ihr natürlich nicht von Sneaky Pete selbst, der ist nämlich viel zu cool, um sich über seine internationale Reisetätigkeit auszulassen, doch ihr könnt Gift drauf nehmen, daß sich schon irgend jemand finden wird, der es euch steckt. Unter ehrfurchtsvollen Blicken werdet ihr dann auch erfahren, daß Sneaky Pete in Tokio die ganze Marketingbranche aufgemischt hat, daß er von Firma zu Firma gezogen ist und Branche um Branche wieder auf die Beine gebracht hat und daß er am Ende gar nicht anders konnte, als nach Amerika zu gehen, weil die Japaner dem Marketing noch nicht die amerikatypische absolute Verehrung entgegenbringen und außerdem nicht recht einsehen, warum ein Marketing-Samurai im Jahr unbedingt mehr als eine Million Dollar verdienen muß.
    Dann werdet ihr die Stirn in Falten legen und zu Sneaky Pete hinüberblinzeln, und der wird mit seiner Sonnenbrille und seinen markanten Wangenknochen dastehen, und ihr glaubt jedes Wort, das man euch erzählt. Und solltet ihr euch in eurer Verwirrung zu der Frage erdreisten: »Und warum heißt der Typ Sneaky Pete?«, dann werdet ihr in ein verzweifeltes verdrehtes Augenpaar starren. Und dieser verzweifelte Blick wird euch sagen, daß ihr das doch eigentlich gar nicht wissen möchtet, und falls doch – daß ihr wenigstens in der Öffentlichkeit nicht solche dummen Fragen stellen solltet.
    Ich hab ’ne Menge Hochachtung vor Sneaky Pete, nicht zuletzt, weil er gerade erst in Singapur sein Marketingstudium abgeschlossen und noch nie in seinem Leben gearbeitet hat. In Wirklichkeit heißt er nämlich Young Ang (hab ich selbst in seinem Paß gesehen), sein wertvollster Besitz ist ein zerlesenes Exemplar des Buches Mit amerikanischen Augen gesehen: Das Asien-Stereotyp , er hat die Technische Hochschule Guandong besucht und den Abschluß gerade so mit Ach und Krach geschafft. Also alles in allem – wie sein Name schon sagt – ein überaus gerissener Typ.
    sneaky pete greift ein

    »Sneaky Pete!« rufe ich und springe auf. »Mann, bin ich froh, dich zu sehen.« Vielleicht freut er sich über diesen Gefühlsausbruch, vielleicht auch nicht, das läßt sich durch seine Sonnenbrille schwer ermitteln. »Ich hab da ’ne gigantische Idee, und ich brauch deine Hilfe.«
    Er hebt tief betroffen eine Augenbraue und zieht sich einen Stuhl an unseren wackligen Küchentisch. Ich erzähle ihm alles über meine Idee, und er hört feierlich nickend zu. Ich bin richtig froh, daß er mich nicht gleich zusammenscheißt. Natürlich ist es am wichtigsten, daß man selbst gnadenlos an sich selbst glaubt, wenn man eine Idee hat; trotzdem ist man dankbar, wenn jemand anderer diesen merkwürdigen Glauben teilt.
    »Ich habe allerdings das Problem «, sage ich, »daß ich jetzt nicht weiterweiß. Also, verstehst du, ich kann doch den Markt nicht aus eigener Kraft mit einem neuen Cola-Produkt
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