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Sirup: Roman (German Edition)

Sirup: Roman (German Edition)

Titel: Sirup: Roman (German Edition)
Autoren: Max Barry
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Cheerleadern. Keine Ahnung. »Ich mach Jura.«
    Das hatte ich jedenfalls vor. Genaugenommen hatte ich das schon seit Jahren vor, und ich war mächtig stolz auf diese Idee. Ich meine, allein die Idee war schon super. Wann immer irgendwer (zum Beispiel meine Eltern) von mir wissen wollte: »Und was machst du nach der High-School?«, konnte ich sagen: »Jura«, und dann lächelten die Leute, hoben die Augenbrauen und nickten. Jedenfalls war diese Antwort ganz klar besser als das Feedback, das ich den Leuten bis dahin gegeben hatte: ein Achselzucken, das meist besorgte Gesichter und Kommentare über die Jugendarbeitslosigkeit ausgelöst hatte.
    »Also gut«, sagte der Studienberater und räusperte sich. Draußen vor dem Fenster, vielleicht auch nur in meinem Kopf, wirbelten hübsche Mädchen rot-weiße Federbüschel durch die Luft. »Ich glaube, wir sollten uns jetzt einmal einer realistischeren Perspektive zuwenden.«
    Ich staunte. »Realistischer…?«
    »Seien wir doch mal ehrlich, Michael«, sagte er verständnisvoll. Doch er hatte gar kein verständnisvolles, sondern ein verbittertes, vom Leben geschundenes Gesicht, und die mitfühlende Miene, die er dann aufsetzte, wirkte auf mich irgendwie bedrohlich. »Dafür reichen doch Ihre Noten gar nicht aus.«
    »Na ja«, sagte ich, »vielleicht nicht, aber…« Dann verfiel ich in Schweigen. Denn es gab kein Aber. Nein, mein Notendurchschnitt reichte dazu tatsächlich nicht aus. Mein Plan, der mir bis zu diesem Augenblick so genial erschienen war, hatte nur einen Haken: die verdammten Noten. »Scheiße«, sagte ich.
    alternativen

    Auch meine Eltern fielen aus allen Wolken.
    Schließlich hatte ich nicht nur mir selbst was vorgemacht, sondern ihnen sogar noch viel mehr. Sie hatten mich im Geiste schon in einem Studentenwohnheim in Harvard besucht oder von einem Stanford-Stipendium gefaselt. Es war nicht ganz leicht für sie, als ich ihnen eröffnete, daß meine Leistungen für eine Eliteuniversität einfach nicht ausreichten.
    Als sich dann herausstellte, daß ich nur an der Cal-State-Universität einen Studienplatz bekommen konnte, zogen sie sofort nach Iowa. Ich weiß bis heute nicht genau, ob das reiner Zufall war.
    college

    Ich wählte Marketing als Hauptfach, weil alle anderen Studiengänge schon besetzt waren.
    Jetzt war ich also plötzlich an einem College ; ich wohnte in einem Studentenwohnheim und war von lauter College-Mädchen umzingelt. Mir rauchte der Kopf. Natürlich gab es Tutoren und Studienberater, die dafür sorgen sollten, daß wir Anfänger uns rechtzeitig für die einzelnen Kurse anmeldeten, doch konnte man ihnen ganz leicht zugunsten anderer – den Horizont immens erweiternder – Aktivitäten aus dem Weg gehen. Mein größter Fehler war es, mich mit einem Typen aus Texas einzulassen, der sich schon von zu Hause aus schriftlich immatrikuliert hatte. Deshalb vergaß ich sämtliche Anmeldungstermine. Eigentlich hatte ich ja einen Einschreibungstermin zwischen zehn und elf Uhr morgens, doch ich kreuzte erst am folgenden Donnerstag um vier Uhr nachmittags in der Verwaltung auf.
    Dabei hatte ich Glück, daß überhaupt noch jemand da war, denn offiziell war die Immatrikulationsfrist bereits abgelaufen. Als ich an die Glastür klopfte, erfuhr ich, daß es nur noch drei etwas merkwürdige Kurse gab, die nicht voll ausgebucht waren: »Programmieren in Visual Basic«, »Der Mann im neuen Jahrtausend« und »Einführung in das Marketing«.
    Der Mann im neuen Jahrtausend klang zwar nicht schlecht.
    Doch das Marketingstudium war dann noch viel irrer.
    mktg: eine definition

    Das Marketing (oder mktg , wie man das Wort abkürzt, wenn man in einer Vorlesung pro Minute zweihundert Wörter mitschreibt) bezeichnet die größte – und dazu noch unsichtbare – Industrie der Welt. Ja, das Kürzel mktg steht für die größte Religion der Welt, und Milliarden glauben an diese Religion, ohne es selbst zu wissen. Kurz: Wer »Marketing« sagt, spricht von einer riesigen, hinterhältigen und völlig korrupten Branche.
    Die Marketingindustrie ist wie LA. Sie ist wie ein superheißes, hirnloses, kokain- und sex- und Perrier-süchtiges Model in LA. Ich glaube, besser kann man es nicht sagen.
    mktg-fallstudie #1: parfüm-vermarktung

    VERDREIFACHE DEN PREIS: DAS VERMITTELT DEM KUNDEN DEN EINDRUCK HÖCHSTER QUALITÄT. KOMMT AUCH DEM GEWINN ZUGUTE.
    willkommen in der wirklichkeit

    Das erste Prinzip des Marketing (okay, es ist nicht das erste, aber es klingt ziemlich uncool,
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