Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sirup: Roman (German Edition)

Sirup: Roman (German Edition)

Titel: Sirup: Roman (German Edition)
Autoren: Max Barry
Vom Netzwerk:
jedenfalls mächtig beeindruckt.
    Als ich nach Hause komme, sind vier Nachrichten auf dem Anrufbeantworter. Die ersten drei stammen von jemandem, der offenbar gerne Anrufbeantworter anwählt und dann wortlos auflegt, die vierte ist von Cindy. Mit Cindy bin ich schon seit High-School-Zeiten befreundet. Sie ist groß, hübsch und wild entschlossen, Brad Pitt zu heiraten. Ich glaub beinahe, daß sie das sogar schaffen wird. Wenn Cindy sich mal was in den Kopf setzt, dann ist sie davon nicht mehr so leicht abzubringen.
    Cindy schlägt in ihrer Nachricht vor, zusammen essen zu gehen, und da mein Adrenalinspiegel nach meiner Begegnung mit 6 so hoch ist, daß ich ohne weiteres einen Lkw stemmen könnte, rufe ich sie gleich an.
    »Hallo?«
    »Hallo.«
    »Scat«, sagt sie erfreut. »Du hast mich gerade noch erwischt. Ich flieg heute abend nach Berlin.«
    »Ey, spitze.« Cindy ist Flugbegleiterin. »Schon wieder ein internationaler Flug. Scheint ja glänzend bei dir zu laufen.«
    »Der Job ist beschissen«, sagt sie. »Auf dem letzten Rückflug von Paris haben drei Typen versucht, mir in den Hintern zu kneifen. Ich mach das nicht mehr lange, das schwör ich. Sobald ich einen guten Job als Model kriege, hau ich hier ab.«
    »Hmmm«, sage ich. »Du schaffst das schon, Mädchen.«
    Sie lacht. »Also, was ist – gehen wir mal zusammen Mittagessen?«
    »Ja, klar. Dann erzähl ich dir von meiner Millionenidee.«
    »Oh, Scat«, sagt sie amüsiert. »Du bist ’n echter Lichtblick in meinem Dasein.«
    »Oh, danke schön«, sage ich.
    »Also, bis dann.«
    »Ciao«, sage ich und lege auf.
    alter streuner

    Ich liege noch wach, als Sneaky Pete gegen zwei nach Hause kommt. Vom Bett aus höre ich, wie er sein übliches Ritual zelebriert: sich einen Kaffee kocht, sich durch ein Dutzend Fernsehprogramme zappt, in einem Magazin blättert. Unsere Wohnung ist nicht sonderlich gut schallisoliert und deshalb für rauschende Liebesnächte kaum geeignet. Außerdem ist sie so heruntergekommen, daß ohnehin kein Mädchen in dem ganzen Chaos mit einem von uns beiden pennen würde. ’Ne heiße Strandwohnung, das wär für mein Image genau das richtige, ist aber leider für unsereinen unerschwinglich.
    Ich überlege, ob ich rausgehen und ihn noch mit ein paar Fragen löchern soll, doch dann laß ich es lieber. Sneaky Pete hat mir schon genug geholfen. Von jetzt an muß ich allein weiterkämpfen.
    was für ein wundervolles unternehmen

    Ich rufe am Mittwoch morgen an und habe 6s persönliche Assistentin an der Strippe. »Ich fürchte, Ms. 6 ist sehr beschäftigt«, läßt die PA verlauten. Sie klingt meiner Mutter verdächtig ähnlich, und zwar so sehr, daß sich mir im Geiste bereits etliche Verschwörungstheorien aufdrängen. Ich bin auf der Stelle davon überzeugt, daß meine Mutter mit 6 auf einem Sofa sitzt und ihr ganze Alben voller Fotos zeigt, auf denen ich vier Jahre alt bin und noch wesentlich unverklemmter wirke als heute.
    »Kann ich etwas ausrichten?« läßt sich die PA vernehmen, und jetzt klingt sie gar nicht mehr wie meine Mutter. Ich entscheide mich deshalb für den geschäftsmäßigen Ton.
    »Ich muß mit ihr sprechen. Hier ist Scat.«
    Jetzt kann sie kurz überlegen. Mit einem solchen Namen könnte ich ja wichtig sein.
    »Ich frag mal nach«, sagt die PA. Doch sie muß unbedingt noch loswerden: »Aber ich muß Sie warnen, sie ist sehr beschäftigt.«
    »Ich bin gewarnt.«
    Plötzlich höre ich das Programm von KPWR und erfahre, daß es sich bei diesem Sender um das hippste Musikdepot in ganz Kalifornien handelt. Während KPWR eine Technoversion von What a Wonderful World abnudelt, stelle ich Betrachtungen darüber an, wann Radiosender wohl zu Musikdepots mutiert sind, ja, ich bin sogar kurzzeitig richtig traurig, weil man bei KPWR die Qualität des eigenen Musikangebots offenbar vollkommen falsch einschätzt. Doch dann ist die PA wieder in der Leitung. »Ms. 6 wird jetzt mit Ihnen sprechen«, läßt sie mich wissen. Aus ihrer Stimme spricht tiefe Empörung, als ob sie 6 ein ums andere Mal inständig gebeten hätte, nicht mit mir zu sprechen. Doch allem Anschein nach ist 6 leichtsinnig genug, diese berechtigten Einwände samt und sonders zu ignorieren.
    »Grazie«, sage ich.
    In der Leitung macht es »klick«, danach ein weiterer kurzer Schreckensbesuch in der Wonderful World , dann 6.
    »Scat.« Sie klingt, als ob sie ganz begeistert über meinen Anruf ist. Wahrscheinlich hat sie schon den ganzen Tag darauf gewartet. Jedenfalls
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher