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Sirenenlied

Sirenenlied

Titel: Sirenenlied
Autoren: Tanja Heitmann
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mit ihren ernsten
Augen an, und er musste hart schlucken. Nein, das hier war kein Spiel - es war seine einzige Chance.
    »Im Gegensatz zu Ihnen ist es bei mir der Dämon, der für meine akzentfreie Aussprache verantwortlich ist. Ich habe nichts zu verbergen.«
    »Sie meinen wohl: Sie haben nichts vor mir zu verbergen. Weil ich als Dienerin genau weiß, was Sie sind. Da können Sie sich ganz hemmungslos offenbaren.« Trotz ihrer schnippischen Worte verzog Esther keine Miene.
    »Und was bin ich in Ihren Augen?«
    Diese Frage bot sich fast zwingend an, aber bei der Vorstellung, wie ihre Antwort ausfallen könnte, bebten sämtliche Muskeln in seinem Körper vor Anspannung. Was und nicht wer , hatte sie gesagt. Ein Etwas also und kein Mann.
    Esther musterte ihn, als handle es sich bei seiner Frage um einen Witz. »Ein Dämon in Menschengestalt«, brachte sie schließlich tonlos hervor. »Dabei sind Sie in Ihrer Camouflage genauso unkenntlich wie Anders, vermutlich ist Ihre sogar noch perfekter. Niemand würde je Verdacht schöpfen, dass Sie kein Mensch sind.«
    »Dass ich kein Mensch bin«, sprach Adam leise nach, für den sich jede Silbe wie ein Schlag ins Gesicht anfühlte.
    »Sehen Sie es als Kompliment - oder wären Sie lieber eins von diesen armen Geschöpfen, in denen noch ein Rest Menschlichkeit existiert, das sie der Lächerlichkeit preisgibt? Glauben Sie mir, wenn man mir nicht gesagt hätte, dass Sie ebenfalls im Blutdienst stehen, hätte ich es nie erraten. Und dabei bin ich ausgesprochen gut darin, den Dämon zu entdecken. Anders hat mich darin gründlich ausgebildet.«
    »Warum ausgerechnet Sie?« Als Esther lediglich erstaunt die Brauen hochzog, fügte Adam hinzu: »Der Dämon interessiert
sich nicht für Sie, Sie werden also niemals einer seiner Tempel sein.«
    »Woher wissen Sie das so genau?«
    »Ich bin auch sehr gut darin, Dinge zu sehen, die den Dämon betreffen.«
    Obwohl Esther sich so gedreht hatte, dass sie die gleißende Sonne im Rücken hatte, verengte sie die Augen zu Schlitzen, als würde Adams Anblick sie blenden.
    »Ist es Ihnen unangenehm, dass Sie den Dämon nicht in sich tragen können?«, hakte er nach.
    Noch immer schwieg Esther, so dass Adam bereits einen weiteren Anlauf nehmen wollte, als sie unvermittelt sagte: »Ich hege keinerlei Interesse an dem Dämon. Zwar akzeptiere ich die Bezeichnung Dienerin und halte mich exakt an die Regeln, aber in Wahrheit bin ich Anders’ angestellte Assistentin. Er braucht jemanden, der die Position einer Dienerin erfüllt, möchte sich aber an niemanden binden, der eines Tages eine Verwandlung von ihm einfordern könnte. Die, wie ich gehört habe, ja ohnehin allzu oft scheitert, weil der Dämon sich für das Blut der meisten Diener aus gutem Grund nicht interessiert. Als Anders mich vor drei Jahren mitten auf der Straße angesprochen hat, brauchte ich gerade einen Job. Einen gut bezahlten Job nach Möglichkeit. Anders verlangt nichts von mir, das mein Gewissen in Mitleidenschaft ziehen würde, weil er seine Opfer stets entschädigt. Außerdem ist er ein besserer Chef, als es wohl die meisten Kerle in dieser Stadt sind.«
    »Ein blutgieriger Dämon macht Ihnen also keine Angst?«
    Für einen Sekundenbruchteil rümpfte Esther die Nase, dann war ihr Gesicht wieder so ausdruckslos wie gewohnt. »Nein, dafür hat Anders alles viel zu gut unter Kontrolle. In
dieser Stadt geht man sorgsam mit dem Blutdienst um. Das heißt: So war es zumindest bis vor kurzem. Aber nun sind Sie ja da, um den alten Zustand wiederherzustellen.«
    Gegen seinen Willen stieß Adam ein raues Lachen aus. »Womit wir wohl beim Thema wären.«
    »Die meisten Dämonen …« Ehe Esther den Satz zu Ende bringen konnte, packte Adam sie verwirrend schnell am Handgelenk. Obwohl ihr die Geste zweifellos gegen den Strich ging, wagte sie es nicht, sich ihm zu entziehen.
    »Ich gebe Ihnen einen Tipp, Schätzchen«, sagte Adam bedrohlich leise. »Nennen Sie mich besser nicht einen Dämon. Das missfällt mir nicht nur, sondern das bin ich auch nicht.«
    Aber bald , brachte sich die Stimme einem Giftstachel gleich ein.
    Esther verzog ihre Mundwinkel zu einem abschätzigen Lächeln, während ihr Gesicht blass wurde und ihre ansonsten bestens versteckte Angst verriet. Durch das Leder ihres Handschuhs konnte Adam ihren schnell gehenden Puls spüren, was ihn vor Frustration fast aufschreien ließ. Alles lief schief, und er machte es durch sein aufbrausendes Temperament nur noch schlimmer.
    »Wie Sie
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