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Sirenenlied

Sirenenlied

Titel: Sirenenlied
Autoren: Tanja Heitmann
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Melodie und brachte Unruhe und Träume mit sich.
    Fluchend verschränkte Josh die Arme vor der Brust und stand einen Moment mit gesenktem Kopf da, während Schauer über seine sich abkühlende Haut liefen.
    Leugnen war zwecklos, er war kurz davor, nach seiner Kleidung zu greifen und hinauszulaufen, erfüllt von dem Verlangen, Gischt auf seinen Wangen zu spüren. Gischtspritzer, die sich ähnlich der Berührung meereskalter Fingerspitzen anfühlten. Stattdessen schlüpfte er erneut unter die Decke, die noch nassgeschwitzt von seiner nächtlichen Unruhe war. Das störte ihn jedoch nicht weiter, denn er konnte ohnehin nicht still liegen. Unaufhörlich wand er sich, bis er mit einem frustrierten Ausruf das Kissen über den Kopf zog. Das Meeresrauschen fand
trotzdem einen Weg an sein Ohr, flüsterte ihm zu, bis er sich ihm nicht länger entziehen konnte. Schon bald verfiel er in einen unruhigen Schlaf.
     
    Am Vormittag zeigte sich der Himmel wie blankgeputzt. Eine Seltenheit in dieser Gegend, und so ließen sich die Möwen zu manchem Sturzflug hinreißen. Doch Josh hatte nur einen Blick für die tollkühnen Luftpiraten übrig, als er sein Motorrad, eine alte Triumph Cornet, neben dem Bootshaus am Hafen abstellte. Der gute Logan stand in seinem Blaumann im offenen Tor und sah interessiert dabei zu. Er mochte Ende vierzig sein oder auch nicht, das ließ sich bei seinem wettergegerbten, von einem Bart überwucherten Gesicht schlecht sagen.
    »Morgen, Junge«, grüßte Logan auf Gälisch.
    Josh nickte und stellte sich neben ihn. Gemeinsam betrachteten sie Joshs hochbetagte Maschine, als erwarteten sie, dass die alte Mühle, wenn sie schon nicht auseinanderfiel, dann doch wenigstens umkippen würde.
    »Dieser Blechhaufen ist eine echte Schande«, sprach Logan aus, was ihnen beiden durch den Kopf ging.
    »Mag sein, aber immerhin eine Schande, die fährt.«
    »Kein vernünftiger Mensch ist auf den Hebriden mit einem Motorrad unterwegs. Ständig dieser Wind und Regen …«
    »Da ist ein Spritfresser wie dein alter Land Rover natürlich Gold gegen, auch wenn du ihn nur zwischen Bootshaus und Pub bewegst«, unterbrach ihn Josh unbekümmert. Die Diskussion über seine Maschine gehörte zur Begrüßungszeremonie wie die anschließende Tasse Kaffee, die einem die Speiseröhre teerte, weil Logan das Pulver mit Augenmaß abschätzte, und um seine Augen war es noch nie sonderlich gut bestellt gewesen.

    Logan lachte krächzend und steckte sich eine filterlose Zigarette zwischen die bartgekränzten Lippen. »Was hast du letzte Nacht eigentlich getrieben, Bursche? Siehst nicht aus, als hättest du viel Schlaf bekommen. Damenbesuch?«
    »Klar.« Josh verzog den Mundwinkel zu einem schiefen Grinsen. »Auf Cragganmore Island ist die Auswahl an Damen so groß, da kann ich mir jede Nacht eine andere ins Bett einladen. Nichts leichter als das.«
    Womit er eins der großen Leidthemen der Hebriden ansprach: Die jungen Leute auf Cragganmore Island waren an einer Hand abzählbar. Wenn man diejenigen hinzuzählte, die auf dem Festland arbeiteten oder studierten und an den Wochenenden mit der Fähre übersetzten, kam man auf ein gutes Dutzend. Was immer noch mehr war als auf manch anderer Insel. Cragganmore Island war durchaus malerisch, wenn man eine raue Schönheit zu schätzen wusste. Sie war überwiegend von Fels gezeichnet und baute sich zum offenen Meer hin zu einer Klippenlandschaft auf, die einem den Atem raubte. Auch das Dorf, das sich um den Hafen erstreckte, war nicht zu verachten, obwohl ihm die eine oder andere Investition gutgetan hätte. Wer nichts gegen einen verwitterten Charme einzuwenden hatte, konnte sich hier wohlfühlen.
    »Tja, wenn deine Augenringe eher durch einen Mangel an weiblicher Gesellschaft zu erklären sind, dann solltest du dich besser einmal an die kleine Eileen Rutherford wenden. Sie hätte bestimmt nichts dagegen, dir Abhilfe zu verschaffen«, riet Logan, ohne eine Miene zu verziehen.
    Josh hob fragend die Augenbrauen. »Woher willst du das wissen?«
    Bevor Logan antwortete, musterte er sein verschlafenes
Gegenüber, um nach einem Hinweis zu suchen, ob da wohl eventuell Interesse bestand. Es war immer gut, den jungen Leuten einen Grund zum Bleiben zu geben - vor allem einem wie Joshua Galbraith mit seinen vielen Talenten. Leider sah Josh höchstens neugierig aus.
    Logan stieß einen Seufzer aus. »Woher weiß ich wohl, dass Eileen dich nicht von ihrer Bettkante stoßen würde? Ist ja nicht so, als wäre das Mädel
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