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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter
Autoren: Mika Waltari
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hundert heile, so ist der Tod den übrigen um so sicherer. Hast du je von einem einzigen Pharao gehört, der drei Tage nach dem Schädelöffnen noch gelebt hätte? Nein, die Unheilbaren und die Irrsinnigen werden mir zur Behandlung mit meinem Steinmesser um so eher zugewiesen, je reicher und vornehmer sie sind. Meine Hand befreit vom Leiden, meine Hand verteilt Erbschaften, Güter, Rinder und Gold, meine Hand hebt Pharaonen auf den Thron. Deshalb fürchtet man mich, und deshalb wagt keiner mir zu widersprechen, denn ich weiß zu viel. Doch mit wachsenden Kenntnissen wächst auch der Kummer, deshalb bin ich ein unglücklicher Mann.«
    Ptahor weinte eine Weile und trocknete seine Nase an Kipas Leichentuch. »Du bist arm, aber ehrlich, Senmut«, schluchzte er. »Darum liebe ich dich, denn ich bin reich, aber verkommen. Nichts als ein Mistfladen bin ich, den ein Ochse auf dem Wege zurückläßt.«
    Er nahm den Juwelenkragen ab und hängte ihn um meines Vaters Hals. Alsdann begannen sie Lieder zu singen, deren Worte mir unverständlich waren; aber Thotmes lauschte eifrig und behauptete, daß selbst im Hause der Soldaten keine sittenloseren Lieder gesungen wurden. In der Küche brach Kipa in lautes Weinen aus, und aus dem Akaziengebüsch kam einer der Neger, nahm Ptahor in seine Arme und wollte ihn zur Sänfte tragen, denn es war schon längst Schlafenszeit. Ptahor aber sträubte sich, wimmerte und winselte, rief die Wachen zur Hilfe und behauptete, der Neger wolle ihn ermorden. Da wir an meinem Vater keine Hilfe hatten, verjagten Thotmes und ich den Neger mit Stöcken, und dieser verschwand unter groben Flüchen mit seinem Kameraden und der Sänfte.
    Darauf goß Ptahor den Inhalt des Bieres über sich, bat um Salbe für sein Gesicht und wollte im Gartenteich baden. Thotmes flüsterte mir zu, daß wir die Alten zu Bett bringen sollten, und so geschah es, daß mein Vater und der königliche Schädelbohrer, in gegenseitiger Umarmung und unter gestammelten Versicherungen ewiger Freundschaft, in Kipas Ehebett einschliefen.
    Kipa weinte, raufte sich die Haare und bestreute ihr Haupt mit Asche aus dem Bratofen. Mich quälte der Gedanke, was die Nachbarn sagen würden, denn der Lärm und der Gesang hallten weithin durch die stille Nacht. Thotmes aber verhielt sich ganz gelassen und behauptete, schlimmere Dinge im Haus der Soldaten gesehen zu haben, und auch zu Hause bei seinem Vater, wenn die Streitwagenlenker von vergangenen Zeiten und von den Strafzügen nadi Syrien und dem Land Kusdi erzählten. Er versicherte sogar, der Abend sei gut verlaufen, da die Alten keine Musikanten und Tänzerinnen aus einem Freudenhaus zur Unterhaltung herbestellt hätten. Es gelang ihm, Kipa zu beruhigen, und nachdem wir unser Bestes getan hatten, um die Spuren des Festes zu beseitigen, gingen wir zu Bett. Der Diener lag noch immer schnarchend unter der Sykomore, und Thotmes legte sich neben mich ins Bett, schlang den Arm um meinen Hals und begann mir von Mädchen zu erzählen, denn auch er hatte Wein getrunken. Aber seine Erzählungen ergötzten mich nicht, denn ich war einige Jahre jünger als er, und so schlief ich bald ein.
    Frühmorgens weckten mich Lärm und Getrampel aus dem Schlafzimmer. Ich ging hinüber und fand meinen Vater immer noch ruhig schlafend in seinen Kleidern, mit Ptahors Kragen um den Hals. Ptahor selber aber saß auf dem Boden, hielt sich den Kopf mit den Händen und fragte mit kläglicher Stimme, wo er sei.
    Ich begrüßte ihn ehrfürchtig, die Hände in Kniehöhe vorgestreckt, und erklärte, daß er sich immer noch im Hafenviertel, im Hause des Armenarztes Senmut befinde. Dies beruhigte ihn, und er bat mich bei Ammon um Bier. Ich erinnerte ihn daran, daß er den Inhalt des Bierkruges über sich geschüttet habe, was an seinem Gewand noch zu sehen sei. Da stand er auf, straffte sich, runzelte würdevoll die Brauen und ging hinaus. Ich goß ihm Wasser über die Hände, und er beugte stöhnend sein Haupt und bat mich, auch seinen kahlen Schädel zu begießen. Thotmes, der ebenfalls erwacht war, brachte ihm eine Kanne saurer Milch und einen gesalzenen Fisch. Nachdem er gegessen hatte, wurde er wieder guter Dinge, trat an den unter der Sykomore liegenden Diener heran und begann, ihn mit dem Stock zu bearbeiten, bis er erwachte und sich mit erdbeschmutztem Gesicht und seinem grasbefleckten Gewand erhob.
    »Elendes Schwein!« sagte Ptahor und versetzte ihm noch einen Hieb mit dem Stock. »So also kümmerst du dich um die
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