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Sintflut

Sintflut

Titel: Sintflut
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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Geistliche.
    Einige Tage vergingen. Mehrmals am Tage wurden aus Wodokty Boten nach Lubicz gesandt, und immer brachten sie dieselbe Antwort: »Er lebt noch!« Endlich kam einer von ihnen mit der Nachricht, daß der extra aus Kiejdane verschriebene Heilgehilfe gesagt habe, Pan Andreas sei auf dem Wege der Besserung. Die Wunden heilten, und die Kräfte des Ritters kehrten zurück.
    Panna Alexandra schickte der Kirche zu Upita eine große Gabe; aber von dem Tage an hörte sie auf, sich nach der Gesundheit des Kranken zu erkundigen. Und eigentümlich, – im Herzen des Mädchens erwachte von neuem die Bitterkeit gegen Pan Andreas. Seine Verbrechen bestürmten wieder ihr Gedächtnis, – seine Verbrechen, für die es kein Verzeihen gab, kein Verzeihen geben konnte. Nur der Tod allein konnte sie löschen. – Nun aber, wo er zu genesen begann, hingen seine Sünden wieder wie eine drohende Wolke über ihm. Alexandra erwog alles, was zu seiner Verteidigung sprechen konnte, aber es wollte und wollte nicht ausreichen.
    Diese letzten Tage hatten die Gesundheit Alexandras so mitgenommen, daß sie sehr krank aussah. Der Miecznik geriet in große Sorge, und eines Abends, als er mit der Nichte allein war, fragte er:
    »Liebste, sage mir offen, was denkst du über den Orszaer Bannerträger?«
    »Gott sieht es, daß ich an ihn nicht denken will,« antwortete Alexandra.
    »Sieh nur, wie du dich verändert hast. Du bist abgemagert, – hm, – vielleicht willst du noch, – ich bestehe auf nichts. Ich möchte nur wissen, was mit dir vorgeht? Denkst du nicht, daß du verpflichtet wärest, den Willen des Verstorbenen –?«
    »Niemals!« rief Alexandra erregt. »Der Großvater ließ mir eine Tür offen, und ich werde sie zu Neujahr benutzen. Auf diese Weise werde ich seinen Willen erfüllen.«
    »Ehrlich gesagt,« sprach der Miecznik in Gedanken, »mir wollte es nie in den Kopf, daß Babinicz und Kmicic dieselbe Person sein sollten. – Aber, was du auch sagst, er ist für das Vaterland eingetreten, er hat in dem Kampfe mit dem Feinde sein Blut vergossen. Das zeigt doch seine Reue; wenn sie auch spät kommt, so ist es doch immerhin eine Reue.«
    »Auch Fürst Boguslaw dient jetzt dem Könige und der Republik,« lächelte bitter Alexandra. »Möge Gott ihnen beiden verzeihen, besonders ihm, der sein Blut jetzt für sie vergoß. – Doch jedermann hat das Recht, von ihnen zu sagen, daß sie im Augenblicke des Verderbens ihre Hand wider das Vaterland erhoben haben, und daß sie erst dann bereuten, als dem Feinde das Glück untreu wurde. Das ist ihre Schuld! Jetzt gibt es keine Verräter mehr, – denn es ist unvorteilhaft, Verrat zu üben. Aber liegt denn darin irgend welches Verdienst? Ist das nicht gerade ein Beweis, daß solche Leute immer bereit sind, dem Stärkeren zu dienen? Gebe Gott, daß ich mich irre, aber ich glaube nicht, daß diese Wunden eine ausreichende Sühne für seine Schuld sind!
    »Ich kann nicht streiten. Es ist wahr, was du sagst,« gab der Miecznik zu. »Eine traurige Wahrheit; aber Wahrheit muß Wahrheit bleiben. Alle Verräter sind jetzt wieder auf die Seite des Königs getreten.«
    »Auf dem Orszaer Bannerträger lastet eine noch größere Schuld als auf dem Fürsten Boguslaw. Er wollte Hand an den König selbst legen, worüber sogar Boguslaw erschrak. Kann eine zufällig erhaltene Wunde das alles gut machen? – Ich würde mir die Hand abhauen lassen, wenn das nicht gewesen, – aber es war, war und bleibt für alle Ewigkeit! Onkel, Onkel, wir würden uns selbst betrügen, wenn wir ihn von Schuld freisprächen! Und welchen Nutzen hätten wir davon? Wird unser Gewissen sich mit dieser Lüge aussöhnen? Möge Gottes Wille geschehen! Was einmal auseinander gerissen, das darf und kann nicht wieder zusammengebunden werden. Ich bin froh, daß der Pan Bannerträger wieder genest. Augenscheinlich hat Gott sich doch nicht ganz von ihm abgewendet und will noch seine Reue sehen. – Doch genug davon! – Ich werde glücklich sein, wenn ich höre, daß er seine Sünden gut gemacht hat. Mehr verlange, mehr wünsche ich nicht. Selbst wenn ich auch noch mehr ertragen müßte als das, was ich schon durchgemacht habe.«
    Alexandra brach in Schluchzen aus; aber das waren ihre letzten Tränen, die sie über Pan Andreas vergoß. – Sie hatte alles, was sie auf ihrem Herzen trug, ausgesprochen, und seitdem begann wieder Ruhe in ihre Seele einzukehren.

16. Kapitel.
    Die Hünenseele Pan Andreas' wollte sich entschieden nicht von ihrer
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