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Sintflut

Sintflut

Titel: Sintflut
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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und zu begrüßen.
    Was für ein Schauspiel bot sich hier den Blicken! Kriegerische Gestalten mit von der Sonne verbrannten und von den Kriegsmühen abgemagerten Gesichtern, auf denen die ganze Geschichte des Krieges mit dem Schwerte niedergeschrieben war! Da sind sie, die finsteren Butryms, da die Stakjans, die Domaszewicz'! Einige nur von allen. Kaum der vierte Teil von denen, die einst unter der Fahne des Pan Wolodyjowski zur Verteidigung des Vaterlandes ausgezogen, war zurückgekehrt. Dutzende von Frauen suchen vergebens ihre Männer, Dutzende von Vätern ihre Söhne. Das Weinen wird lauter, denn auch die, die die Ihrigen gefunden, weinen vor Freude. Die ganze Kirche hallt vom Geschluchze wieder. Von Zeit zu Zeit ruft eine Stimme irgend einen teuren Namen. Die Zurückgekehrten stehen auf ihre Schwerter gestützt, und über ihre rauhen Gesichter rinnen die Tränen.
    Da ertönt die Glocke in der Sakristei, der Lärm legt sich. Alle lassen sich auf die Kniee nieder. Mit zitternder Stimme verliest der Geistliche die Messe. Und als die Menge die Kirche verlassen will, erhebt er, zum Zeichen, daß er noch etwas zu sagen wünsche, das Evangelium. – Zuerst segnet er die zurückgekehrten Krieger, dann teilt er den Versammelten mit, daß er noch ein königliches Schreiben zu verlesen habe, das ihm vom Obersten des Laudaer Banners überbracht worden sei.
    In der Kirche wurde es lautlos still. Der Geistliche begann:
    »Wir, Jan-Kasimir, König von Polen, Großfürst von Litauen, Masovien und Preußen. Im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes! Amen!
    Ebenso wie die Missetaten böser Menschen gegen die königliche Majestät und das Vaterland, ehe sie von dem Himmelsrichter bestraft werden, schon auf Erden ihre Vergeltung finden, ebenso darf auch die Tugend nicht ohne Belohnung bleiben. Denn die Tugend und der Ruhm segnen die Nachkommen und lehren sie, den heldenmütigen Vorbildern zu folgen. – Daher bringen wir dem ganzen Rittertum, dem Militär und den weltlichen Hochwürdenträgern, sowie der ganzen Bevölkerung des litauischen Großfürstentums und unserer Smudier Starostei zur Kenntnis, daß, welche Vergehen auch auf dem hochgeborenen und unserem Herzen so teuren Pan Andreas Kmicic, dem Orszaer Bannerträger, lasten mögen, diese seiner Verdienste und seines Ruhmes wegen aus dem Gedächtnisse aller Menschen ausgestrichen werden sollen. Denn nichts darf die Ehre und den Ruhm des Orszaer Bannerträgers schmälern.«
    Der Geistliche hörte auf zu lesen und blickte zu Pan Andreas hin. Kmicic erhob sich für einen Augenblick, dann ließ er sich wieder auf seinen Platz nieder. Er senkte den Kopf und schloß die Augen.
    »Pan Kmicic! Kmicic! – Da, neben den Billewicz'!« ging ein Flüstern durch die Kirche.
    Aber der Pater gab ein Zeichen mit der Hand, alle verstummten, und er fuhr fort zu lesen:
    »Der Orszaer Bannerträger war zu Anfang des unglücklichen schwedischen Krieges im Dienste des Wilnaer Wojewoden, jedoch nicht seines persönlichen Vorteils wegen, sondern aus Liebe zum Vaterlande; denn durch die Überredungskunst des Fürsten ward er irregeführt. Zum Fürsten Boguslaw gesandt, der ihn auch für einen Verräter hielt, und der ihm alle seine gottlosen Pläne eröffnete, versprach der Bannerträger nicht nur nicht Hand an uns zu legen, sondern er entführte den Fürsten, um uns und das mit Füßen getretene Vaterland zu rächen.«
    »Herr, erbarme dich meiner, der Sündigen!« erklang eine weibliche Stimme neben Pan Andreas.
    Der Geistliche las weiter:
    »Vom Fürsten verwundet und noch in seinen Kräften geschwächt, ging er nach Czenstochau, um an geweihter Stätte der heiligen Jungfrau zu dienen. Er gab allen dort ein Beispiel von unerschütterlichem Mut und Beständigkeit. Mit Gefahr seines Lebens sprengte er die größte feindliche Kanone in die Luft. Hierbei wurde er ergriffen, zu Tode verurteilt und schweren Martern unterworfen.«
    In der Kirche erscholl Schluchzen, Alexandra zitterte wie im Fieber.
    »Aber auch aus dieser Gefahr durch die Gnade der Himmelskönigin befreit, kam er zu uns nach Schlesien. Bei unserer Rückkehr in das geliebte Vaterland schützte er unser Leben, indem er sich mit nur drei Soldaten der ganzen feindlichen Macht entgegenwarf. Von Schwerten durchbohrt, in seinem ritterlichen Blute schwimmend, haben wir ihn wie tot auf dem Schlachtfelds aufgelesen.«
    Alexandra preßte ihre Hände an die Schläfe, der Atem verging ihr fast.
    »Als er sich durch unsere Pflege wieder
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