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Sine Culpa

Titel: Sine Culpa
Autoren: Elizabeth Corley
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zu sehen, dass sie ihre letzte Reise bereits angetreten hatte, und er begann, stumm zu beten.
    Eine Krankenschwester brachte ihm eine Tasse Tee, und als er sich leise bedankte, flatterten die Lider der Sterbenden auf. Hannah Hill brauchte einen Moment, um sich zu orientieren, aber dann sah sie ihn, und pures Glück belebte ihr Gesicht.
    »Paul«, sagte sie mit strahlenden Augen und einem innigen Lächeln.
    »Gran«, flüsterte er. Er konnte kaum sprechen, aber sein Gesichtsausdruck spiegelte ihre Freude wider. Wenn in diesem Moment ein Fremder vorbeigegangen wäre, er hätte sofort gewusst, dass sie verwandt waren.
    »Ich hab gehofft, dass du kommst … Woher weißt du …?« Sie bekam keine Luft und konnte nicht weitersprechen.
    »Ein Freund hat mich angerufen, er heißt Andrew.«
    »Ich bin froh.«
    »Ich auch, Gran.«
    Sie saßen wortlos da, er hielt ihre Hand und beobachtete das schwache Heben und Senken ihrer Brust. Schließlich fragte sie: »Bleibst du bei mir … du weißt schon … bis zum Ende?«
    »Aber ja, deshalb bin ich doch hier.«
    Ihr Lächeln vertiefte sich, und sie schloss die Augen. Ringsherum ging der Krankenhausbetrieb weiter. Irgendwann schloss eine der Schwestern den Vorhang um ihr Bett und brachte ihm noch eine Tasse Tee. Draußen wurde es dunkel. Hannahs Atmung war kaum noch wahrnehmbar. Es gab kein verzweifeltes Ringen nach Luft, nur ein allmähliches Erlöschen, das mit jedem flachen Atemzug voranschritt. Paul betete.
    Irgendwann gegen Mitternacht merkte er, dass er die Wirkung des Tees nicht länger aufschieben konnte, und er hastete den Gang hinunter zu den Toiletten. Als er zurückkehrte, waren ihre Augen weit offen und suchten nach ihm. Ihr Mund bewegte sich hektisch, als hätte sie ihm etwas Wichtiges zu sagen.
    »Ich bin bei dir«, flüsterte er, »keine Angst.«
    Ihre Lippen öffneten und schlossen sich, aber er verstand nicht, was sie ihm mit solcher Dringlichkeit mitteilen wollte.
    »Was hast du gesagt, Gran?«
    »Komm zur Beerdigung«, wiederholte sie. »Lies die Messe.«
    »Ich kann nicht dabei sein, nicht an dem Tag, es …«
    Ein unendlich schwaches Kopfschütteln unterbrach alles, was er hatte sagen wollen.
    »Denk dran …« Ihre Finger umfassten seine Hand mit einem überraschend starken Griff. »Familie ist wichtig.«
    Ihre letzten Worte waren nicht mehr als ein warmer Hauch an seinem Ohr, aber sie sanken tief in sein Herz, als sich ihre Augen schlossen, und ruhten dort, eine Last, die er nicht abschütteln konnte, ganz gleich, wie inbrünstig er betete.
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