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Sine Culpa

Titel: Sine Culpa
Autoren: Elizabeth Corley
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Danke. Ich dachte, das wäre ein Automatismus.«
    »Bryan Taylor ist gestorben.«
    »Ich weiß, an den Folgen einer Messerverletzung, die ich ihm beigebracht habe. Ich bete täglich um Vergebung.«
    »Ihre Eltern haben seit Ihrem Verschwinden ein Vierteljahrhundert in Ungewissheit gelebt.«
    »Das ist bedauerlich, aber kein Verbrechen. Sehen Sie, das Problem ist, wenn sie erführen, dass ich noch lebe, würden Sie meine Arbeit hier zerstören. Mein Vater ist zu schwach, um es für sich zu behalten, und meine Mutter zu labil, um damit umgehen zu können. Sie würde hier hereingestürmt kommen, die Presse gleich hinterher, die Sache mit Bryan würde aufgedeckt werden, und ich könnte im Gefängnis landen. Falls Sie entscheiden, mich dorthin zu schicken, ist das eine Sache, Gottes Wille, aber ich werde nicht ins Gefängnis gehen, weil ich eine Mutter habe, die mich zu sehr liebt. Und ehe Sie meine Großmutter ins Feld führen, sie weiß bereits, dass ich lebe, dafür habe ich gesorgt. So, es wird langsam spät, Andrew. Sie müssen zurück nach Sussex. Wie werden Sie sich entscheiden?«
     
    Fenwick erwischte gerade noch den letzten Zug nach Harlden. Er sank in einen schmuddeligen Sitz und stieß einen Seufzer aus, der sich anfühlte, als hätte er ihn sein Leben lang zurückgehalten. Er war körperlich und emotional ausgelaugt. Endlich hatte er das Geheimnis um Paul Hills Verschwinden gelöst, und dank seiner Strategie hatte sein Team einen Mann festgenommen, der hinter einem der bestorganisierten Pädophilenringe in Südengland steckte. Ein Pädophilenbordell war geschlossen und eine Nachschublinie für Kinderpornographie aufgelöst worden. Doch statt über den Erfolg froh und erleichtert zu sein, war er tieftraurig und sah sich mit dem größten Dilemma seiner Karriere konfrontiert.
    Das Schicksal eines guten Menschen lag in seiner Hand, und obwohl seine Pflichten als Polizeibeamter völlig klar waren, widersprachen sie in diesem Fall seinem persönlichen Gefühl dafür, was richtig war. Dieser unerwartete Konflikt machte ihm zu schaffen. Er schloss die Augen, suchte nach einer Lösung für sein Problem, doch vergeblich. Er hatte keine andere Wahl, als über die Zukunft eines Menschen zu entscheiden, und dafür blieb ihm nur die Atempause, die ihm die Zugfahrt nach Hause bot.
    Er blinzelte, um wach zu bleiben, und sein Blick fiel auf seine Hände, die locker auf den Oberschenkeln ruhten. Einen bizarren Augenblick lang stellte er sich Pauls Freiheit in der linken Hand vor und in der rechten das Urteil, das die Gesellschaft fällen würde, sollte die Wahrheit bekannt werden. Wenn er sie enthüllte, würde er mit Lorbeeren überschüttet werden. Er hätte eine Aufsehen erregende Ermittlung erfolgreich abgeschlossen, und jede Kritik an seiner Fahrt nach London müsste verstummen. Außerdem täte es seinen Aussichten auf Beförderung gut. Die Finger seiner rechten Hand krümmten sich unwillkürlich, als wollten sie die Beförderung aus der abgestandenen Luft pflücken. Dann ballte er beide Fäuste und entspannte die Muskulatur langsam wieder, als ihm die Sinnlosigkeit seiner Gedanken klar wurde. Das Problem blieb, und seine Entscheidung würde weitreichende Folgen für sein Leben haben, das wusste er.
    Der Zug beschleunigte ratternd, schwankte über Weichen, raste durch Bahnhöfe, die schon für die Nacht geschlossen hatten, und trug ihn auf einen Zeitpunkt in der Zukunft zu, an dem die Entscheidung gefallen und das Schicksal bestimmt sein würde.
    Er hatte sich immer für einen Mann gehalten, der schwierige Entscheidungen treffen konnte, hatte gerade das sogar als eine seiner Stärken betrachtet, jetzt jedoch, wo er wirklich auf die Probe gestellt wurde, musste er einsehen, dass er kein König Salomon war. Also griff er wie immer, wenn sein Verstand sich sträubte, auf ein altes Hilfsmittel zurück und nahm Notizblock und Stift zur Hand. Auf ein leeres Blatt Papier schrieb er die Frage, die ihm im Kopf kreiste wie ein Kinderrätsel, seit er die Wahrheit entdeckt hatte: »Wann ist ein Mörder kein Mörder?«
    Der Satz starrte ihn an. Bei dem Verbrechen, das er aufgeklärt hatte, handelte es sich immerhin um Mord, nicht um irgendein Bagatelldelikt. Mit einem frustrierten Seufzer riss er die Seite vom Block, knüllte sie zusammen und stopfte sie in die Tasche, damit seine Gedanken nicht bei dem Unrat auf dem Fußboden landeten. Auf seiner Uhr war es nach elf, als er mit der flachen Hand über ein frisches Blatt strich und
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