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Sine Culpa

Titel: Sine Culpa
Autoren: Elizabeth Corley
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erneut versuchte, sich zu konzentrieren. Eine halbe Stunde später hätte er fast seine Haltestelle verpasst, weil er so tief in Gedanken versunken war.
     
    Das Haus war ruhig, als er die Tür aufschloss. Das Essen, das für ihn zum Aufwärmen im Kühlschrank stand, ließ er unberührt und goss sich nur einen kleinen Whisky ein, den er mit in sein Arbeitszimmer nahm. Während der Computer hochfuhr, trank er einen Schluck und las seine Notizen noch einmal durch. Sobald er alles aufgeschrieben hätte, würde er rausfahren und Nightingale bei der Suche nach Sam helfen, aber das hier musste er zuerst erledigen.
    Er tippte sein Passwort ein, öffnete das Textverarbeitungsprogramm und begann zu schreiben. Die ersten Worte kamen ihm melodramatisch vor, und er löschte sie mehrmals, ehe er sich doch entschloss, sie stehen zu lassen:
     
    Im Falle meines Todes ist beigefügter Umschlag an Superintendent Quinlan, Kripo Harlden, zu übergeben, auch wenn er schon im Ruhestand ist. Falls er vor mir verstirbt, ist dieser Umschlag an Inspector Louise Nightingale zu übergeben, derzeit ebenfalls Kripo Harlden. Sollte aus irgendwelchen Gründen keiner von beiden in der Lage sein, ihn in Empfang zu nehmen, ist er ungeöffnet zu vernichten.
     
    Er druckte den Text aus und unterschrieb das Blatt, bevor er sich an eine Zusammenfassung seiner Notizen machte. Im Gegensatz zu einigen seiner Kollegen war er nicht der Ansicht, dass die Funktionen von Polizei und Justiz nötigenfalls zum Schutz der Gesellschaft miteinander verbunden werden müssten. Seiner Meinung nach hatte niemand das Recht, Polizist, Richter und Geschworener zugleich zu sein. Demzufolge kämpfte er mit einem tiefen Gefühl der Unsicherheit, während er sein Geständnis und die Rechtfertigung seiner Entscheidung formulierte.
    Seine Handlungsweise war so untypisch für ihn, dass ein Teil von ihm den Text am liebsten wieder gelöscht und die ganze Sache der Staatsanwaltschaft übergeben hätte. Und doch wusste er, dass das falsch wäre. Nur er hatte Paul Hill kennengelernt, hatte gesehen, wie er mit den heimatlosen Jugendlichen arbeitete, und gehört, wie Gerry von ihm schwärmte. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund hatte er den Mann gefunden, der einmal der längst tot geglaubte Junge gewesen war. Es wäre vermessen zu denken, dass er für diese Aufgabe erwählt worden war, aber die Entscheidung war ihm zugefallen und er hatte sie getroffen, nicht leichtfertig und bereitwillig, sondern weil ihm keine andere Wahl blieb.
    Falls er Paul Hill völlig falsch eingeschätzt hatte, falls er morgen oder in den nächsten Tagen sterben würde – damit sein Schweigen gesichert war –, dann musste eine Aussage hinterlegt sein, die es ermöglichen würde, der Gerechtigkeit Genüge zu tun. Deshalb hinterließ er sein dokumentiertes Gespräch mit Paul Hill den Menschen, denen er am meisten vertraute.
    Es war nach halb eins, als er alles fertig hatte. Seine Augen brannten, und von dem Whisky hatte er Kopfschmerzen bekommen. Er adressierte den Umschlag gerade an seinen Anwalt, als sein Handy klingelte.
    »Fenwick.«
    »Andrew?« Louise Nightingale klang müde, aber glücklich. »Wir haben ihn lebend gefunden.«
    »Gott sei Dank.« Sein Kopf war zu leer, um irgendwas anderes zu empfinden als Erleichterung.
    »Er war da, wo du gesagt hast. Beim ersten Mal haben wir das Gebäude übersehen, weil nur das Dach aus dem Boden ragt, und das war mit Brombeeren und Efeu überwuchert, aber als wir am Ende des Baches waren, hab ich den Trupp umkehren und alles noch mal absuchen lassen. Du warst so sicher, dass wir es finden würden, ich hab mich einfach drauf verlassen.«
    »Gut gemacht.«
    »Freust du dich denn nicht? Ohne dich hätten wir ihn nie gefunden. Sam wäre gestorben; er war schon richtig unterkühlt, als wir ihn fanden. Du hast ihm das Leben gerettet.«
    Nein, Paul hat ihm das Leben gerettet, dachte er, als er das letzte Blatt seiner Aussage aus dem Drucker zog.
    »Andrew! Was ist los mit dir? Hör mal, wir möchten alle wissen, woher du die Information hattest. Von dem ›Freund‹, nicht?«
    »Das kann ich nicht sagen.«
    »Jetzt hör aber auf. Damit kommst du beim A.C.C. nie und nimmer durch. Du wirst mit der Sprache rausrücken müssen. Und es wäre verrückt, wenn du’s nicht tust. Zur Abwechslung stehst du mal richtig gut da, wirf das nicht weg, indem du einen auf geheimnisvoll machst. Da wird Harper-Brown bestimmt stinksauer werden. Nutz die Gelegenheit, mach das Beste
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