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Silentium

Silentium

Titel: Silentium
Autoren: Wolf Haas
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wenigsten von den drei Erziehern vertragen hat. Möglicherweise, daß man mit der Priesterweihe auch gegen den Alkoholteufel ein bißchen im Vorteil ist, weil der junge Regens ist immer noch genauso steif dagesessen wie am Anfang, und beim Hasenschartenpräfekt hat man höchstens sagen können, daß das «t» gekommen und gegangen ist, wie es ihm gepaßt hat, aber sonst nicht das geringste Anzeichen.
    «Was für Gerüchte?» hat der Brenner wieder gefragt. Normalerweise ist das gar nicht so seine Stärke gewesen, daß er die präzisen Fragen so direkt gestellt hat, sondern er hat sich gern ein bißchen im Nebensächlichen verzettelt. Und ich vermute, daß ihm jetzt der Alkohol beim Fragenstellen geholfen hat. Weil Alkohol überhaupt oft sehr hilfreich, wenn du heute eine Situation hast, wo du ein und dieselbe Sache möglichst oft stur wiederholen sollst.
    Der Präfekt mit der Hasenscharte hat aber nicht geantwortet. Und der Sportpräfekt Fitz ist auch nur stumm dagesessen und hat mit dem linken Bein gezittert wie eine Nähmaschine oder wie ein Mann, der eingeengt sitzt. Und der Regens hat auch nichts gesagt. Dem Brenner ist es so vorgekommen, als würde er mit der Wand reden. Weil die Wand hat wenigstens etwas gesagt, aber auch immer nur sturheil: «Silentium!»
    Aber wie dem Brenner dann die Gerüchte endlich bekannt waren, hat er es auch irgendwie verstehen können, daß die Herren bis in die Früh hinein saufen haben müssen, bis sie endlich mit den letzten Details herausgerückt sind. Um vier Uhr hat er dann endgültig alles gewußt. Er hat den Bischofskandidaten Schorn gewußt, er hat gewußt, daß der Monsignore Schorn vor dreißig Jahren Spiritual im Marianum war, und er hat sogar gewußt, was ein Spiritual ist.
    Paß auf, so schwer ist das gar nicht zu begreifen: Regens Chef, Präfekt Erziehung, Spiritual Seelenheil. Weil ein Präfekt hat auch oft einmal streng sein müssen, und da hat man ganz richtig gesagt, ist eigentlich für die seelische Entwicklung nicht ideal, wenn der Zögling bei seinem eigenen Präfekt zum Beispiel beichten gehen muß, praktisch Vertrauensbasis. Dafür hat man den Spiritual gehabt, der hat gemacht Musikmeditation, Lichtbildmeditation, Zimmerbeichte, diese Dinge.
    Zum Spiritual hätte ein Bub theoretisch hingehen können und sich über den Präfekt beschweren, und der Spiritual hätte ihn nicht gestraft, sondern nur Verständnis. Besonders für die Kleinsten ist das natürlich eine sehr wichtige Ansprechperson gewesen, weil die Präfekten oft schon sehr streng, ich möchte nicht sagen Psychoterror, wie man es vielleicht bei den Sekten hat, aber streng. Sehr streng sogar. Und da ist der Spiritual natürlich eine Zuflucht gewesen, ganz wichtig, ja was glaubst du. Da hat es einzelne bei den Zehnjährigen gegeben, die sind jeden Abend zum Spiritual gelaufen, die haben sich schon Sünden ausgedacht, nur damit sie einen Grund für eine Zimmerbeichte haben, oder sagen wir, Lichtbildmeditation mit Kuschelmusik oder ein bißchen Händchenhalten gegen den Heimwehteufel.
    «Gerüche!» hat der alte Hasenschartenpräfekt immer wieder dazwischengequetscht. Aber um vier Uhr früh, wie sie schon längst beim Schnaps aus Rocca di Papa angelangt waren, hat der junge Regens es dem Brenner alles gebeichtet gehabt. Und ist ihm im Grunde genommen auch nichts anderes übriggeblieben. Weil ein ehemaliger Zögling hat Geschichten über den Monsignore Schorn aufgebracht. Ausgerechnet jetzt, wo der Papst gesagt hat, geben wir doch dem Schorn den Bischofsposten.
    Der alte Präfekt hat zu bedenken gegeben, daß man auch den Spiritual verstehen muß. Er ist durch seine Aufgabe den Buben nähergekommen als die Präfekten. Und der ehemalige Zögling wahrscheinlich nur gekränkt, weil ihn der Spiritual Schorn damals einmal auf seine Hygieneprobleme hingewiesen hat. Da sind ja Kinder oft furchtbar rachsüchtig, und die merken sich so was Jahre und Jahrzehnte und verleumden dich, nur weil du vielleicht einmal gesagt hast, Wasser ist zum Waschen da.
    «Schuld an allem ist der Psychiater», hat der Sportpräfekt Fitz behauptet. Weil der Exzögling ist ja nicht einmal selber auf die Idee gekommen mit seinen Geschichten. Sondern Eheprobleme, und die Frau hat gesagt, schau, daß du zum Psychiater kommst. Dann natürlich Leistungsdruck, hat der auf einmal geglaubt, er muß sich da an gewisse Dinge aus dem. Jahre Schnee erinnern, sprich Hygieneunterricht in den Kellerduschen mit dem Spiritual Schorn.
    Heute hat ja schon
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