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Silentium

Silentium

Titel: Silentium
Autoren: Wolf Haas
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Brigitte
-Diät unterhalten können, aber das Weiche ist er nicht mehr losgeworden.
    Er hat einfach zwischendurch zuviel gesündigt, einmal mit der Schokolade gesündigt, dann wieder mit dem Eis gesündigt, und heute zum Beispiel schon wieder mit dem Bier und dem Salzgebäck schwer gesündigt. Weil so schnell, wie der Hochwürden das Bier hinuntergezischt hat, schaust du gar nicht.
    «Das Salzgebäck macht durstig», hat er genickt, als müßte er sich selber recht geben, und hat allen nachgeschenkt. Aber ich glaube, es war nicht nur das Salzgebäck. Es war auch ein bißchen das unangenehme Thema, das ihm auf der Zunge gebrannt hat. Er hat dem Brenner endlich sagen müssen, wozu er ihn herbestellt hat. Aber vorher noch einmal das Bierglas ansetzen, unglaublich, was der weggeschluckt hat.
    Langsam ist er dann aber doch damit herausgerückt, was er sich vom Brenner erwartet hat. Aber er hat mit der Erklärung bei Adam und Eva anfangen müssen, weil der Brenner ja nicht einmal gewußt hat, daß eine neue Bischofsernennung bevorsteht.
    «Wir sind natürlich sehr stolz», hat er betont, «daß der päpstliche Wunschkandidat jemand ist, der aus unserem Haus hervorgegangen ist.»
    «Sehr stolz», hat der alte Präfekt mit der Hasenscharte genickt. Ich weiß auch nicht wieso, aber jetzt hat er das «t» auf einmal wieder gekonnt, vielleicht eine Lockerung durch den Biergenuß.
    «Obwohl man bei aller Bescheidenheit auch sagen muß», hat der Sportpräfekt Fitz eingeworfen und sich dabei wirklich ein bißchen zusammengekrümmt, sprich Bescheidenheit. Und vor lauter Bescheidenheit hat er zu sagen vergessen, was man bei aller Bescheidenheit sagen muß.
    «Ja natürlich», hat der junge Regens genickt, weil der hat genau gewußt, was sein Kollege sagen will, praktisch blindes Verstehen. Und der Brenner hat es dann im Lauf des Abends auch irgendwie mitgekriegt. Gar so stolz hat man nicht sein müssen, weil seit Generationen, wenn nicht seit Jahrhunderten sind alle Bischöfe mehr oder weniger aus dem Marianum hervorgegangen, dazu noch auf der weltlichen Seite alles vom Bürgermeister bis zum Landeshauptmann und zurück.
    Und dann natürlich noch die andere Sache mit dem Stolz. Oder sagen wir einmal so. Die andere Sache, wo man nicht gar so stolz sein hat können.
    «Die Gerüche!» hat der alte Hasenschartenpräfekt mit erhobenem Zeigefinger gesagt.
    Und ich glaube, das war der eigentliche Grund, warum sich der Brenner dann in den nächsten beiden Tagen so mit den Gerüchen im Internat beschäftigt hat. Weil der alte Präfekt muß auch schon ein bißchen das Bier gespürt haben, daß er wie der reinste Hypnotiseur immer wieder mit seiner eindringlichen Polypenstimme gesagt hat: «Die Gerüche!»
    Der Präfekt Fitz hat die leere Kiste hinausgetragen, aber nicht wegen der Gerüche. Weil ob du es glaubst oder nicht, er ist mit einem richtigen kleinen Bierfaß zurückgekommen. Und da haben sie im Marianum schon eine gepflegte Kultur gehabt. Die haben das Faßbier nicht aus denselben Gläsern getrunken wie das Flaschenbier. Sondern der Sportpräfekt hat jetzt noch vier Steinkrüge gebracht, graue Literkrüge mit dem Wappen des Kapuzinerklosters drauf. Das dürfte einmal ein Gastgeschenk von einem Kapuzinerabt gewesen sein, weil im Marianum natürlich nur Weltpriester mit schwarzen Anzügen, keine Klosterbrüder mit Kutten.
    Wie die Krüge voll waren, haben die vier Männer angestoßen, daß es gescheppert hat, und der Brenner hat gefragt: «Was für Gerüche?»
    Der Regens und der Sportpräfekt Fitz haben ihn so entgeistert angeschaut, daß der Brenner für einen Moment geglaubt hat, ihm ist in seinem Dusel jetzt doch noch die Bemerkung über die Familienpackung herausgerutscht. Vor Verlegenheit hat er schnell den Maßkrug angesetzt. Aber der Präfekt Fitz hat ihm so blöd eingeschenkt, daß der halbe Krug voll Schaum war, und wie der Brenner sich den Schaum von den Augen gewischt hat, ist sein Blick wieder auf die Inschrift über dem Kopf vom Regens gefallen, auf das goldene Kreuz mitten in dem Wort Silentium.
    Und dann natürlich Schuppen von den Augen, weil das auffällige «t» praktisch Fingerzeig Gottes.
    «Was für Gerüchte?» hat er in genau demselben Tonfall gefragt, so als hätte er es auch vorher schon richtig gesagt.
    «Gerüchte», hat der Sportpräfekt Fitz gesagt. Er hat schon einen ziemlichen Zungenschlag gehabt, aber das «t» tadellos. «Nur Gerüchte!» Es war nicht zu übersehen, daß er am
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