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Silentium

Silentium

Titel: Silentium
Autoren: Wolf Haas
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was für ein prächtiges Haus, sprich Villa, das eigentlich war. Der Dr. Prader ist vor seiner steinernen Gartenmauer stehengeblieben, die so hoch war, daß man nicht hineingesehen hat, aber die Baumwipfel haben einem schon einen gewissen Eindruck von dem Gärtchen vermittelt, praktisch Paradies.
    Und der Dr. Prader muß ein bißchen die Gedanken vom Brenner erraten haben: «Die Miete für das Haus können wir uns nur leisten, weil wir es den ganzen Sommer an Festspielgäste vermieten.»
    «Und wo wohnen Sie?»
    «Wir ziehen mit den vier Kindern in die Besenkammer.»
    «Und die Vermieter erlauben das?» hat der Brenner gefragt. Weil nicht nur Salzburger Schönheit weltberühmt, auch Salzburger Vermieter weltberühmte Halsabschneider.
    «Da haben wir Glück. Der Vermieter ist auch der Arbeitgeber meiner Frau.»
    «Das Bischofsamt.» Das hat der Brenner wieder vom Präfekt Fitz gewußt.
    «Deshalb ist die Miete für uns auch erschwinglich.»
    «Und für Ihre Festspiel-Untermieter ist sie wahrscheinlich weniger erschwinglich.»
    «Die zahlen in zwei Monaten so viel», hat der Dr. Prader gelächelt, «daß wir das ganze Jahr die Miete davon bezahlen können.»
    «Das ist günstig.»
    «Für uns schon. Und unsere Gäste fragen sich nicht, ob etwas günstig ist. Sie wollen einfach das beste, was am Markt ist.»
    «Und ich hab immer geglaubt, auf dem Mönchsberg wohnen nur irgendwelche Münchner Warenhauskönige, die sich mit ihrem Schwarzgeld den halben Mönchsberg zusammengestohlen haben.»
    Weil der Brenner war jahrelang in Salzburg stationiert, als Polizist eigene BUWOG-Wohnung gehabt, günstige Miete und alles, da hat er eigentlich nie einen Grund gehabt, sich zu beschweren. Aber von damals hat er eben noch gewußt, daß der Mönchsberg im Grunde nur von Sandlern in ihren Höhlen und Warenhauskönigen in ihren Bunkern bewohnt war.
    «So kraß würde ich es vielleicht nicht ausdrücken», hat der Dr. Prader gelächelt. «Aber eine illustre Nachbarschaft haben wir hier schon.»
    «Und wenn Sie aus dem Haus kommen und ein Tourist bewundert Ihr Märchenschloß, möchten Sie ihm am liebsten erklären, daß Sie keiner von diesen Mönchsberg-Münchnern sind.»
    Der Brenner hat sich selber gewundert, wie er da redet, quasi verständnisvoll wie ein Spiritual. Und das, nachdem er erst ein paar Tage in seinem Hilfspräfektenzimmer gewohnt hat. Weil im Marianum unten ist es natürlich immer sehr indirekt und vorsichtig zugegangen, alles immer sehr rücksichtsvoll, ungefähr so, wie wenn dir einer vor lauter Rücksicht die Hand so sanft gibt, daß du glaubst, du schüttelst einen toten Fisch.
    Auf einmal ist sich der Brenner dem kantigen Bergführer gegenüber selber ein bißchen schleimig vorgekommen. Sprich, höchste Zeit, daß er mit dem Dr. Prader Klartext redet.
    «Haben Sie gewußt, daß der Monsignore Schorn erster Kandidat für die Bischofsnachfolge ist? Deshalb soll ich herausfinden, ob die Geschichten Ihres Patienten wirklich wahr sind. Vielleicht können Sie mich dabei unterstützen.»
    «Ja und nein.»
    «Ich weiß, daß es wegen der ärztlichen Schweigepflicht heikel ist.»
    «Nein. Ich bin kein Arzt. Der Gottlieb ist mein Freund. Ich versuche nur, einem Freund zu helfen.»
    «Aber Sie haben trotzdem Zweifel, ob Sie mir helfen wollen?»
    «Mein Nein gilt Ihrer ersten Frage. Ich habe nicht gewußt, daß der Monsignore Schorn als erster Bischofskandidat gehandelt wird.»
    «Und das Ja –»
    «– heißt, daß ich Ihnen gern helfe, soweit ich kann. Einer Schweigepflicht im rechtlichen Sinn unterliege ich jedenfalls nicht.»
    «Eigentlich dürfte ich Ihnen das mit dem Bischofskandidaten auch nicht erzählen.»
    «Res silentii»,
hat der Dr. Prader genickt, «ich weiß.»
    «Das weiß jetzt wieder ich nicht, was das ist», hat der Brenner zugeben müssen.
    Der Dr. Prader hat ihm dann erklärt, daß es das nicht nur bei der Kirche gibt, sondern ganz ähnlich auch im staatlichen Bereich. Wenn heute zum Beispiel ein Richter ernannt wird, dann schnüffelt die Staatspolizei auch vorher ein bißchen in seinem Privatleben herum, ob er nicht zu viele Abgründe hat, wo man sagen müßte, sein Hobby macht ihn vielleicht erpreßbar, weil Videoclub immer verdächtig, oder sagen wir Minderjährige, solche Dinge, oder meinetwegen sadistische Tendenz, wo man vielleicht sagt, als Richter überqualifiziert.
    «Bei Ihrem Freund hat sich ja die Erinnerung nach jahrzehntelangem Schweigen auf einmal zu Wort gemeldet. Wie ist so was
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